So gerne ich mir Hollywoodfilme auch ansehe, manchmal ist es einfach nur eine Freude, mal etwas Abwechslung zu bekommen. Der deutsche Regisseur Werner Herzog bietet meist genau das, zuletzt mit dem bemerkenswerten „Bad Lieutenant – Port of Call New Orleans“. Nun hat sich Herzog mit David Lynch (als Produzenten) zusammen getan, und heraus gekommen ist ein Film, der sich ebenfalls nicht um Konventionen kümmert. Michael Shannon (der irre Nachbarssohn aus „Revolutionary Road“) spielt Brad McCullum, einen Mann von Mitte 30, der mit einem Schwert seine Mutter umbringt. Anschließend verschanzt er sich mit zwei Geiseln in seinem Haus in San Diego.
Draußen versucht Detective Hank Havenhurst (Willem Dafoe) mit stoischer Ruhe, die ungewöhnliche Situation in den Griff zu bekommen. Er spricht mit Brads Verlobter Ingrid (Chloe Sevigny), einem irgendwie labilen Mauerblümchen, und mit Lee Meyers (Udo Kier), seinem Schauspiellehrer, um mehr über den scheinbar wahnsinnigen Mann zu erfahren. In Rückblenden zeigt der Film einige Erfahrungen Brads aus der Vergangenheit, eine Reise nach Peru, seinenAusbrüchen in der Schauspielgruppe, wie er sich von seinem Onkel ein Schwert besorgt – und das angespannte, nicht ganz normale Verhältnis zu seiner Mutter.
Herzog inszeniert das alles weniger als Puzzle, bei dem sich langsam alles zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Eher kreist er um die mysteriöse geistige Verfassung seiner Hauptfigur, ohne ihr aber mit herkömmlicher (Film-)Psychologie auf die Schliche kommen zu wollen. Ein Schlüssel zum Geschehen liegt in den Parallelen zwischen Brads Tat und der altgriechischen Tragödie um Orestes – doch eine wirkliche Erklärung bleibt aus. Hauptdarsteller Michael Shannon spielt seine Figur mit großer Intensität, und bringt glaubwürdig dessen Verstörung und innerliche Zerrissenheit zum Vorschein.
Die Story basiert auf einem wahren Fall, wurde aber von Herzog und Co-Autor Herbert Golder mit künstlerischer Freiheit umgeschrieben. Die Faszination mit dem Stoff, genauer mit der Frage, warum ein Mann – wie aus dem Nichts heraus – seine Mutter mit einem Schwert umbringt, verleiht „My Son, My Son, What Have Ye Done“ einen verstörenden, fiebrigen Grundton. Der Flow des Films ist oft assoziativ, Worte und Bilder verschmelzen zu einer spannenden und hervorragend gespielten Reise ins Unbekannte. Der Einfluss von Produzent David Lynch ist über die gesamte Laufzeit spürbar, die Verbindung von Herzogs Guerilla-Dokumentar-Stil mit diesem Lynch-esken Szenario ergibt einen sehenswerten Film – in dem auch schon mal die Zeit (beinahe) still stehen kann.
4/5
PS: In UK und den USA ist der Film bereits erschienen, in Deutschland seit Herbst erhältlich.