Nach seinem Oscar für „Das Leben der Anderen“ hat es eine Weile gedauert, bis Regisseur Florian Henkel von Donnersmarck seinen nächsten Film gedreht hat. Mit „The Tourist“ hat er nun eine hochkarätige Hollywood-Produktion übernommen, dazu noch die erste Zusammenarbeit der beiden Superstars Johnny Depp und Angelina Jolie. Die Story basiert auf dem französischen Film „Anthony Zimmer“ von 2005, einem feinen Thriller mit deutlichem Hitchcock-Touch.
Jolie spielt die mysteriöse Schönheit Elise Clifton-Ward, die zu Beginn des Films in Paris einen Brief von ihrem Lover Alexander Pearce bekommt. Pearce hat Gangsterboss Reginald Shaw (Steven Berkoff) um einen großen Haufen Geld betrogen und ist seitdem abgetaucht. Nun hat er einen perfiden Plan ausgetüftelt, um Elise wiedersehen zu können. Sie soll im Zug nach Venedig mit einem fremden Mann anbandeln, um seine Jäger auf die falsche Fährte zu führen – denn wie Pearce aussieht ist unbekannt, er hat sich angeblich per kosmetischer Chirurgie ein neues Gesicht machen lassen. Elise auf den Fersen sind sowohl die britischen Behörden in Person von Inspector John Acheson (Paul Bettany) als auch Shaw mit seinen russischen Schergen.
Elise sucht sich im Zug den allein reisenden Mathe-Lehrer Frank Tupelo (Johnny Depp) aus Wisconsin als Lockvogel aus. Der etwas schüchterne Kerl kann sein „Glück“ kaum fassen, bemüht sich aber nach Kräften seiner neuen Bekanntschaft ein angenehmer Begleiter zu sein. In Venedig angekommen beziehen die zwei ein luxuriöses Hotelzimmer, und schon am nächsten Morgen geht das Verwirrspiel richtig los. Die Gangster jagen Frank quer durch Venedig, immerhin stellt der sich für einen Mathe-Lehrer recht geschickt dabei an, ihnen zu entkommen. Elise hat parallel den richtigen Alexander Pearce auf dem Zettel und außerdem eine (anfangs noch) geheime Agenda in dem Spiel.
„The Tourist“ ist ein unterhaltsamer Film geworden, doch das ist schon das beste, was man über ihn sagen kann. Das größte Problem ist, das die Geschichte nie wirklich fesseln kann, die Gründe hierfür sind vielfältig, unter anderem muss die Besetzung der Hauptrollen genannt werden. Johnny Depp hat seit Jahren keinen ’normalen‘ Menschen mehr gespielt, ihm plötzlich einen schusseligen Mathelehrer abzunehmen ist quasi unmöglich. Stattdessen sieht man den Star Johnny Depp, der einen Mathe-Lehrer spielt – im Vordergrund steht aber die öffentliche Star-Person, nicht die Figur.
Angelina Jolie wiederum passt schon besser in ihre Rolle der verführerischen Schönheit, doch hinter dem pfundweise aufgetragenen Make-up, den üppigen Frisuren und den als Hitchcock-Hommage gewählten klassischen Kostümen kommt ebenfalls keine interessante Figur zum Vorschein, mit der sich das Publikum identifizieren könnte. Es bleibt Oberfläche und Projektion, ein Spiel mit dem Image und popkulturellen Referenzen.
Die Chemie zwischen Depp und Jolie ist nicht ‚echt‘, aber auch nicht ohne Reiz, vor allem zu Beginn ist ihre „Liason“ vergnügliches Kino. Depp mogelt in sein Spiel Anleihen von seinem „Fear & Loathing“-Charakter Raoul Duke und auch hin und wieder einen Tick Jack Sparrow. Er hat offensichtlich nicht vorgehabt, das ganze ernsthaft anzugehen. Ob er noch echte Typen spielen kann wird sich nächstes Jahr zeigen, wenn er in „The Rum Diary“ noch mal als Hunter S. Thompsons alter ego zu sehen sein wird.
„The Tourist“ ist also eher eine Komödie als ein Thriller geworden. Von Donnersmarcks Inszenierung der Geschichte ist flott und elegant, er holt aus dem Schauplatz Venedig alles raus und führt die Handlung zu ihrem so konsequenten wie vorhersehbaren Ende. Der Weg dahin macht Spaß, doch der Stoff wird derart leicht und locker vorgetragen, dass die Story ein Hintergrundrauschen bleibt, das viele kurzweilige Szenen miteinander verbindet. Wenn es so gewollt war, hat von Donnersmarck nicht viel falsch gemacht – aber trotzdem keinen großen Film gedreht. Von ihm und dem Duo Jolie/Depp haben sicher viele mehr erwartet als ein gefälliges Remake eines ungleich spannenderen französischen Thrillers.
3/5