Es ist nicht leicht – und vielleicht gar müßig – zu erklären, was in diesem Film passiert. „Rubber“ erzählt von einem Killer namens Robert, der ein kleines Kaff im Südwesten der USA unsicher macht. Doch der Killer hat ein Publikum, ein paar ganz normale Leute, die dem Treiben mit dem Fernglas aus sicherer Entfernung zusehen, nachdem sie von einem Sheriff auf den „Film“ eingestimmt worden sind. Klingt merkwürdig? Ach so, und der Killer ist übrigens ein Autoreifen. Ein Autoreifen, der durch die Wüste rollt und alles kaputt macht, was sich ihm in den Weg stellt. Alles klar?
Verantwortlich für „Rubber“ ist der Franzose Quentin Dupieux, besser bekannt als Musiker ‚Mr Oizo‘. Dessen größter Hit war „Flat Beat“, und wenn man sich an das krude Video mit dem gelben Stoffmännchen erinnert, dann traut man ihm im Nachhinein auch einen solch ungewöhnlichen Spielfilm zu. Denn der Film ist nicht nur eine ungewöhnliche Killer-Story mit einem Reifen in der Hauptrolle, sondern auch ein Film über ein Team, das einen solchen Film dreht UND das Publikum, das sich diesen ansieht.
Den Massengeschmack dürfte Dupieux damit nicht so ganz getroffen haben. Dafür explodieren auch zuviele menschliche Köpfe (durch reine Willenskraft des Reifens). Aber seine Rechnung, irgendwo zwischen Satire, Farce, Trash und Kunst-Persiflage eine absolut beknackte Idee konsequent bis zum Ende zu verfolgen, geht erstaunlich gut auf. Wenn Robert am Anfang des Films langsam losrollt und seine telepathischen Kräfte an leeren Bierflaschen und einem Hasen ausprobiert sitzt man als Zuschauer schmunzelnd da und schwankt zwischen Unglauben und Verzückung.
Das Budget von „Rubber“ dürfte bescheiden gewesen sein, doch dem Produktionsdesign ist das kaum anzumerken. Der Look des Films ist professionell, die Kamera fängt wunderschöne, sonnige Bilder Südkaliforniens ein. Die Schauspieler sind ebenfalls gut und lassen sich (fast) nicht anmerken, in was für einem bekloppten Szenario sie agieren. Besonders gefallen hat mir der fahrradfahrende Heini, der unter anderem mit einem Truthahn das Publikum vergiften will, um die Farce um den Killer-Reifen zu beenden. Das geht aber schief, und die Story muss zum Leidwesen des Sheriffs noch ein bißchen weitergehen. Auch der Soundtrack, natürlich von Mr Oizo höchstselbst geschrieben, macht Laune, die musikalische Untermalung des Geschehens ist ein guter „Ersatz“ für fehlende Dialoge (der Reifen kann ja nicht reden).
Man kann in „Rubber“ und die Intentionen seiner Macher eine Menge hinein interpretieren. Er lässt sich als Verarsche oder Hommage verstehen, als Reflexion über die Sinnlosigkeit moderner Kinofilme im Allgemeinen und Speziellen, als doppelbödige Komödie oder einfach als radikaler Klamauk. Man möchte ihn, wenn er nach wie im Flug vergehenden knapp 80 Minuten vorbei ist, nicht unbedingt gleich noch einmal sehen. Aber wenn man sich, am besten ohne größeres Vorwissen (das auch der Trailer nicht vermittelt), einfach mal auf den Film einlässt, bereitet er ein sehr ungewöhnliches, beträchtliches Vergnügen.
5/5
PS: Der Film lief auf so ziemlich jedem Filmfestival der Welt und wird in Deutschland im Mai dieses Jahres von Universum auch als DVD und BluRay vertrieben werden.
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