Die „X-Men“-Reihe gehörte von Anfang an zu den interessanteren Comic-Adaptionen, schon weil es darin nicht um „herkömmliche“ Superhelden geht, sondern um Mutanten, deren Verhältnis zum Rest der Menschheit schwierig ist. Die zwei Masterminds der „X-Men“, Professor X und Magneto, personifizieren die gute und die dunkle Seite der Macht. „X-Men: First Class“ (Originaltitel) erzählt nun von ihren Anfängen, und beginnt dabei anno 1944 in einem Konzentrationslager. Der junge Erik – der sich später Magneto nennt – wird Opfer von finsteren Menschenversuchen, die unter der Leitung von Klaus Schmidt (Kevin Bacon) durchgeführt werden. Auf der anderen Seite des Atlantiks wächst sehr viel behüteter der etwa gleichaltrige Charles Xavier auf.
Knapp 20 Jahre später ist Xavier (inzwischen gespielt von James McAvoy) ein gefragter Professor, der sich mit Gen-Mutationen beschäftigt und von der US-Regierung um Hilfe in einem ungewöhnlichen Fall gebeten wird. Magneto (Michael Fassbender) jagt hingegen quer durch die Welt seinem Peiniger von einst hinterher, der inzwischen als Sebastian Shaw in den USA lebt. Magneto und X treffen dabei bald zum ersten Mal aufeinander – und stellen fest, dass sie zumindest vordergründig ähnliche Ziele verfolgen. Ihre Allianz, soviel ist dem Publikum dabei schon klar, wird aber nicht von großer Dauer sein.
„First Class“ hätte mit dieser Back-Story und dem vor dem Hintergrund der Kubakrise ausgetragenen Kampf gegen den von Kevin Bacon gespielten Oberschurken schon genug zu tun gehabt. Doch er mutet sich auch noch zu, eine Reihe neuer Mutanten einzuführen – einige davon auf der Seite der Bösen, die anderen als Rekruten von Professor X’s erstem Team, jener „First Class“ des Originaltitels. Angesichts dieser Fülle von Figuren und ihrer Beziehungen untereinander verliert Regisseur Matthew Vaughn („Kick-Ass“), so scheint es zumindest, manchmal ein wenig den Faden.
In seinen besten Momenten ist der Film gut gespieltes, hervorragend ausgestattetes Comic-Drama, in den weniger guten solide inszeniertes, aber etwas albernes Popcorn-Kino. Vom Stil her erinnert der Film oft an die ersten Bond-Filme mit Sean Connery, was natürlich auch am 60er-Jahre Setting liegt. Da sind eine Menge schöne Frauen in Mini-Röcken zu sehen, die technischen Gerätschaften mit ihren Tonbändern und blinkenden Konsolen könnte Q gebaut haben, und auch die Schurkenrolle passt ins Bond-Schema – immerhin wird die Weltherrschaft angestrebt.
Mit den Spezial-Effekten übertreibt es der Film zum Glück nicht, auch wenn natürlich jeder Mutant ausgiebig seine Fähigkeiten präsentieren darf. James McAvoy macht als junger Charles Xavier eine gute Figur, wobei ihm Michael Fassbender als Magneto ein wenig die Show stiehlt. Zu den vielen weiteren neuen Gesichtern zählen u.a. die von January Jones („Mad Men“), Rose Byrne („28 Weeks Later“), Jennifer Lawrence („Winter’s Bone“) und Oliver Platt („2012“). Zwei Figuren aus der alten Garde um Hugh Jackman, Halle Berry und Co. sind in kurzen Cameos zu sehen.
Insgesamt bringt „X-Men: Erste Entscheidung“ alles mit, was es für einen großartigen (Comic-)Film braucht. Leider ist er eben einen Tick zu überfrachtet, worunter vor allem die Dramaturgie leidet – der Film springt etwas zu häufig von Schauplatz zu Schauplatz, einige Anschlüsse sind unsauber, einige Szenen letztlich unnötig. Doch unterhaltsam und mit Witz, Anspruch und Action ausgestattet ist der Film über die gesamte Laufzeit. Der Neustart darf als gut gelungen gelten, mal sehen wohin es mit der Reihe weitergeht – und ob man sich zukünftig zu Gunsten der Story auf etwas weniger Figuren einlässt.
4/5
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