Filmkritik: Der große Crash (Margin Call)

Der Große Crash - Margin CallDass ein globales Ereignis wie die Finanzkrise (auch Subprime-Krise genannt) auch in Filmen thematisiert wird ist keine Überraschung. Oliver Stone hat „Wall Street 2“ gedreht und sich mit dem Großen und Ganzen auseinandergesetzt, während „The Company Men“ eher von den Folgen für die Bürger erzählte. „Der Große Crash“ (Originaltitel: „Margin Call“) wagt sich ins Zentrum des Geschehens, wählt allerdings im Vergleich zu Stone eine etwas bescheidenere Perspektive.

J.C. Chandor ist Drehbuchautor und Regisseur des Films, der von einer Investment-Bank (angelehnt an die Pleitebank Lehman Brothers) handelt, die in der Krise steckt. Ein Drittel der Angestellten muss gehen, die, die übrig bleiben, gucken sparsam. Nach Feierabend guckt sich der junge Analyst Peter Sullivan (Zachary Quinto) ein unfertiges Konzeptmodell an, das ihm sein soeben gefeuerter Boss als Abschiedsgeschenk hinterlassen hat. Was er da herausfindet versetzt ihn glatt in Panik – gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Will Emerson (Paul Bettany) überlegt er nun, wie mit den brisanten Erkenntnissen über den Zustand der Firma umzugehen ist.

Die große Stärke von „Margin Call“ liegt in seiner ruhigen, fokussierten Erzählweise. Die Handlung umfasst nur einen Tag, den entscheidenden Tag, an dem aus der finanziellen Schieflage einer einzigen Bank eine globale Krise wird. Das erste Krisengespräch findet schon weit nach Feierabend um 22:00 Uhr statt, dann eskaliert die Sache immer weiter, immer mehr Banker mit immer mehr Verantwortung müssen sich zu immer späterer Stunde damit befassen. Und sie alle verlangen von Sullivan – ganz im Sinne der meisten Zuschauer – vor allem eins: dass er die Lage in verständlicher Sprache schildert.

Das Schauspieler-Ensemble ist gespickt mit Stars. Kevin Spacey ist dabei, er ist am ehesten die Sympathiefigur des Films, Simon „The Mentalist“ Baker spielt seinen aalglatten Chef, Demi Moore ist als Chefin der Abteilung Risiko involviert, Stanley Tucci hat den Stein anfangs ins Rollen gebracht, und als Firmen-Boss fliegt per Helikopter Jeremy Irons ein. Zwischen diesen Schwergewichten, die alle äußerst überzeugend sind, schlägt sich Zachary Quinto sehr ordentlich. Aber seit der Star aus „Heroes“ die Rolle als neuer Spock in „Star Trek“ erobert und sich zu Eigen gemacht hat ist ihm ohnehin alles zuzutrauen. Bei „Margin Call“ hat er zudem auch als Produzent fungiert.

Eine echte Überraschung war für mich vor allem die Tatsache, dass der Film sehr kurzweilig und niemals anstrengend daherkommt. Das liegt am guten Drehbuch, dass die räumliche Beschränktheit der Handlung an einigen Stellen gezielt aufbricht, den überzeugenden Figuren, ihren guten Darstellern und des insgesamt stimmigen Herangehensweise. Viele würden vielleicht lieber einen Film über böse Banker sehen, die leichtfertig per Knopfdruck Milliarden von Dollars verbrennen, doch „Margin Call“ macht es sich – und auch dem Publikum – nicht so einfach.

Tendenziell sind sich dabei alle Figuren der Konsequenzen ihres Tuns bewusst. Sie unterscheiden sich eher in der Interpretation ihrer persönlichen Rolle, und in der Art und Weise, wie sie über ihre Branche denken. Dem Regisseur – Sohn eines Investmentbankers – ist auch vollkommen klar, dass sein Film die Krise und ihre Ursachen nicht mal eben so erklären kann. Von einem fehlerhaften „Modell“ ist da lediglich die Rede – aber auch davon, dass keiner der Entscheider sich lange mit kritischen Fragen und unangenehmen Wahrheiten beschäftigen wollte…

4/5