Irgendwo in der Nähe des Polarkreises, in einem klirrend kalten weißen Nadelwald, lernt man in „Hanna“ die Titelfigur kennen. Ein blondes, schlankes Mädchen, das gerade mit Pfeil und Bogen einen Elch erlegt hat. Hanna (Saoirse Ronan, bekannt aus „Atonement“) lebt dort allein mit ihrem Vater Erik (Eric Bana), und das offenbar schon sehr lange. Musik kennt sie nur vom Namen her, der Anblick eines Flugzeugs versetzt sie in helle Aufregung – Hanna ist offensichtlich keine gewöhnliche 16-Jährige.
Warum Erik mit seiner Tochter in der Einöde wohnt und sie zu einer brandgefährlichen Kriegerin ausbildet, das erfährt man im Film nach und nach. Es hat mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun, mit Hannas verstorbener Mutter und einer Frau namens Marissa. Die wird gespielt von Cate Blanchett und arbeitet für die CIA. Kaum verlassen Vater und Tochter ihre einsame Blockhütte ist sie den beiden auf den Fersen.
Der Film von Joe Wright ist in erster Linie sehr stylisches und dynamisches Bewegungskino. Die Kampfszenen (es gibt viele davon) sind von einem explosiven Soundtrack unterlegt, die Kamera selbst ist viel in Bewegung. Die Inszenierung setzt auf die Wucht der Bilder, dazu hat man viele beeindruckende Schauplätze gewählt, von einer unterirdischen Geheimdienst-Station über einen riesigen Containerhafen bei Nacht bis zum stillgelegten Spreepark in Berlin.
Die Rechnung geht auf, „Hanna“ ist ein packender Film geworden, eine geschickte Mischung aus den „Bourne“-Filmen und „Leon – Der Profi“. Die Story an sich ist nicht ohne ein paar Macken und geht zuweilen over-the-top, auch die Kräfte seiner Heldin sind quasi übermenschlich. Aber der Film ist nun mal ein modernes Action-Märchen, bei der Psychologie und Logik zwar eine Rolle spielen, aber eine untergeordnete.
Die Hautdarsteller sind allesamt überzeugend, wenn sie auch ein paar der schwächeren Szenen nicht wirklich retten können. Von den Nebendarstellern überragt vor allem Tom Hollander als vor sich hin pfeifender Auftragskiller. Weil Hanna außerhalb der Zivilisation aufgewachsen ist, hat sie – trotz ihrer exzellenten Kampfkünste – einen unschuldigen Blick auf die Welt. Daraus zieht der Film ein paar starke Momente, etwa während ihrer kurzen Freundschaft mit einer gleichaltrigen Engländerin.
Im Mittelteil geht dem Film für eine knappe halbe Stunde ein wenig die Luft aus, und das Ende ist leider insgesamt nicht sonderlich überzeugend. Doch die spannenden und überzeugenden Szenen überwiegen deutlich. „Hanna“ ist ähnlich wie die Filme von Tarantino Kino auf der Meta-Ebene, ein Spiel mit Versatzstücken des Kinos und der Kraft der Bilder. Äußerst nett anzusehen, aber nicht sonderlich tiefgründig – trotz der „Wolfskind“-Thematik.
4/5
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