Filmkritik: Verblendung (Remake)

Verblendung (Remake)Mit den schwedischen Verfilmungen von Stieg Larssons „Millenium“-Trilogie habe ich wie hier berichtet  so meine Probleme gehabt. Jetzt ist die US-Version des ersten Teils erschienen, Regie führte dabei David Fincher („Sieben“, „The Social Network“). Tatsächlich gefällt mir dessen Version von „Verblendung“ besser – aber das bedeutet keineswegs, dass nicht auch sein Film Schwächen hätte. Die wie ich glaube größte Schwäche ist die, dass es für nicht-Kenner des Stoffes schwer sein dürfte, die Handlung komplett zu verstehen.

„The Girl With The Dragon Tattoo“ (Originaltitel) konzentriert sich in der ersten von zweieinhalb Stunden Laufzeit fast komplett auf die Exposition. Der vor Gericht wegen Verleumdung verurteilte Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) bricht seine Zelte in Stockholm ab und verlässt die Zeitschrift „Millenium“. Er nimmt den Auftrag des alternden Großindustriellen Henrik Vanger (Christopher Plummer) an, das Verschwinden von dessen Nichte im Jahre 1966 aufzuklären. Dazu zieht er (vorübergehend) auf das ländliche Anwesen der Vanger-Familie.

Parallel führt der Film die Figur von Lisbeth Salander (Rooney Mara) ein. Die arbeitet für eine private Sicherheitsfirma, in deren Auftrag sie einen Hintergrund-Check über Mikael Blomkvist ausführt. Salander ist – aus Gründen, die erst in den späteren Romanen zur Sprache kommen – vom Staat entmündigt worden. Weil ihr bisheriger Vormund einen Schlaganfall erlitten hat übernimmt diese Rolle der Anwalt Bjurman, ein fieser, gewalttätiger Schweinehund. Lisbeth macht üble Erfahrungen mit Bjurman; ihre Aufeinandertreffen führen zu äußerst schwer verdaulichen Szenen, die sicher so manchem zu drastisch ausgefallen sind.

Regisseur David Fincher ist bekannt für seine handwerklich exzellente und eindringliche Art der Inszenierung. Kamerafahrten, Schnitt, der Soundtrack von Ex-Nine Inch Nails-Mastermind Trent Raznor sowie die übrige Soundkulisse: alles vom Feinsten. Es gibt kaum eine Szene in „Verblendung“ die nicht allein deshalb sehenswert wäre. Doch sein Meisterstück ist der Film dennoch nicht geworden, weil es ihm und seinem Drehbuchautor Steven Zaillian nicht gänzlich gelingt, dem Geschehen eine überzeugende dramaturgische Form zu geben.

Die Exposition ist wie schon erwähnt überzeugend, steht aber weitgehend für sich. Die Aufklärung des zentralen Rätsels (was vor 40 Jahren mit Vangers Nichte passiert ist) und die Ermittlungen, die dahin führen enthalten viele sehr gute Szenen und Montagen. Und doch kommt unter anderem die Familie Vanger mit ihren vielen unsympathischen und mysteriösen Mitgliedern letztlich ein wenig zu kurz. Am Ende lässt der Film gar die zentrale Beteiligung und Schuld einer Schlüsselfigur einfach weg. Die Faszination des Schauplatzes Hedestad (einer fiktiven, abgelegenen kleinen Insel, auf der die meisten Vangers leben) ist spürbar, rückt aber nie ins erzählerische Zentrum des Films – als wüsste er damit nichts anzufangen. Oder hätte keine Zeit dafür.

Daniel Craig ist eine gute Besetzung für Blomkvist, im Vergleich mit Mikael Nyqvist spielt er die Figur zugänglicher und souveräner, macht es dem Publikum leichter, sich mit Blomkvist zu identifizieren. Das mag auch an Craigs Bekanntheit und seinem Image liegen, der Story nützt es auf jeden Fall. Auch Mara Rooney, die das schwere Erbe von Noomi Rapace antritt, verleiht ihrer Figur einen Hauch mehr Offenheit und Emotion – weicht dabei aber (zum Glück) nicht nennenswert von der Roman-Figur ab. Die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren gibt Finchers Film präziser und stimmiger wieder als im schwedischen „Original“.

Unter dem Strich hat David Fincher gute Arbeit geleistet und einen spannenden, visuell überzeugenden Thriller gedreht. Doch so ganz bekommt auch er die umfassende, in viele Richtungen gesponnene Story für seinen Film nicht in den Griff, einige Szenen wirken aufgesetzt (nicht im schauspielerischen Sinne, sondern im dramaturgischen), andere kommen ein wenig zu kurz. Es wäre vielleicht besser gewesen, einige Stränge einfach wegzulassen – schwierig jedoch, da die meisten in den Fortsetzungen weitergeführt werden. Ein guter, aber kein überragender Thriller mit einigen äußerst eindringlichen Szenen ist der Film dennoch, und auch die bessere der beiden Adaptionen.

4/5