Lange, sogar sehr lange lag dieser Film bei mir schon rum. Ein Drama, das in Bosnien nach Ende des Balkankriegs spielt und sich mit dem finsteren Thema Menschenhandel beschäftigt passt eben nicht so gut in das Konzept „gemütlicher Film zum Feierabend“. Und ein solcher ist „The Whistleblower“ auch nicht, sondern ein Drama im wahrsten Sinne des Wortes – unter anderem deshalb, weil er auf einer wahren Geschichte beruht. In der Hauptrolle ist Rachel Weisz als allein erziehende Mutter und Polizistin Kathryn Bolkovac zu sehen. Die nimmt einen lukrativen Auftrag an, sich für sechs Monate der Peacekeeping-Truppe der UN in Bosnien anzuschließen. Von dem Geld will sie ihre Hypothek abbezahlen, damit sie in die Nähe ihrer Tochter ziehen kann.
In Bosnien, genauer gesagt Sarajevo, angekommen bietet sich Kathryn ein tristes Bild. Die Ethnien der Stadt liegen im Dauerclinch, die Narben des Krieges sind noch nicht verheilt. Doch bald findet die toughe Polizistin ihre Berufung. Bei einer Razzia stösst sie auf eine Gruppe junger Mädchen, die offensichtlich zur Prostitution gezwungen werden. Doch ihr Versuch, den Mädchen zu helfen, trifft auf viele Wiederstände – nicht nur auf Seiten der einheimischen Polizisten…
„The Whistleblower“ erzählt seine Geschichte angesichts der politischen Sprengkraft des Themas betont zurückhaltend, aber ohne das Geschehen irgendwie zu entschärfen. Der Ton ist bedächtig, die Bilder meist düster, aber der Film kommt nicht hoffnungslos daher. Großen Anteil am Gelingen des Ganzen hat Rachel Weisz, die ihrer Rolle die nötige Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit verleiht. Als Heldin wider Willen trägt sie die Sympathien und Hoffnungen des Publikums fast allein auf ihren Schultern.
In Nebenrollen sind Vanessa Redgrave, David Strathairn und Monica Bellucci zu sehen, die übrigen Schauspieler sind international unbekannt. Das wiederum ist eine clevere Casting-Entscheidung, denn aufstrebende Hollywood-Sternchen als zur Prostitution gezwungene Ost-Europäerinnen hätten die Authenzität von „The Whistleblower“ sehr wahrscheinlich empfindlich beschädigt. Der Film ist kein Meisterwerk, aber eine emotional und dramaturgisch überzeugende, mutige Auseinandersetzung mit einem Stück jüngerer Geschichte, das es verdient, ein Publikum zu finden.
4/5