Filmkritik: Skyfall

SkyfallThriller/Action, UK/USA 2012

Regie: Sam Mendes; Darsteller: Daniel Craig, Javier Bardem, Berenice Marlohe, Judi Dench, Ralph Fiennes, Naomi Harris, Albert Finney

Nach dem blutleeren „Quantum of Solace“ war der Schwung, den Daniel Craig als neuer Bond in „Casino Royal“ entfachen konnte, schon fast wieder dahin. Für den nach offizieller Zählung 23. Film „Skyfall“ standen die Produzenten also unter beträchtlichem Druck. Regie führt Oscar-Gewinner Sam Mendes („American Beauty“), den Bösewicht spielt Javier Bardem, mit Albert Finney und Ralph Fiennes sind zudem zwei britische Größen des Charakterfachs dabei. Der Film beginnt wie gewohnt mit einer rasanten Action-Montage, bei der Bond mit dem Motorrad durch und über Istanbul rast bevor es zum Showdown auf einem fahrenden Zug kommt. Einem Showdown mit durchaus überraschendem Ausgang…

Einige Monate später meldet sich 007 wieder zum Dienst. Das Hauptquartier des MI6 wurde angegriffen, Ziel des Anschlags war vermutlich M (Judi Dench), deren Computer zudem gehackt wurde. Ein unbekannter Aggressor, der im Besitz einer Liste sämtlicher undercover operierender Agenten des Westens ist, führt den Geheimdienst öffentlich vor. Bond geht der Spur nach, sie führt ihn nach Shanghai, wo er auf die schöne Sévérine (B. Marlohe) trifft und über diesen Umweg bald auf Silva (J. Bardem), den Drahtzieher des bösen Treibens. Die Handlung verlagert sich nun – ungewöhnlich für die Bondfilme – für einen längeren Zeitraum nach London, bevor es zum großen Finale kommt, in dem auch das Rätsel um die Bedeutung des Filmtitels aufgelöst wird.

Es ist keine große Überraschung, dass die Stärken von „Skyfall“ eher in der Handlung, den Dialogen und Schauspielern zu finden sind als bei den großen Actionszenen. Regisseur Mendes ist nun mal kein Erneuerer des Action-Kinos, sondern kommt vom dramatischen Fach. Er lässt es trotzdem drei Mal gewaltig und sehenswert krachen, in Szenen, die dankenswerter Weise völlig auf CGI-Effekte verzichten. Und auch die Schauplätze sind hervorragend gewählt, über weite Teile ist in „Skyfall“ jede Einstellung ein absoluter Hingucker. Sehr gelungen ist auch der mit Adeles Titelsong unterlegte klassische Vorspann, der problemlos aus einem alten Moore- oder Connery-Bond stammen könnte (was eindeutig als Kompliment gemeint ist).

Doch die wahre Kunst des Films liegt in der cleveren Weichenstellung für die Zukunft. Ohne hier zuviel verraten zu wollen – Mendes nimmt in „Skyfall“ etwas mehr als nur eine Feinjustierung der Ausrichtung vor und entlässt den Zuschauer mit großer Vorfreude auf die kommenden Filme. Und das ist womöglich die wichtigste Leistung des Films. Womit keineswegs gesagt wäre, dass der Weg dorthin keinen Spaß machen würde. Die aus dem Trailer bekannte Verhörszene, Bonds obligatorischer Casino-Besuch oder sein erstes Aufeinandertreffen mit Silva sind allerfeinstes Agentenkino, Fehlgriffe vermeidet der Film dagegen nahezu komplett.

Ein bißchen was zu meckern gibt allerdings auch. So muss in „Skyfall“ bereits zum x-ten Mal in der jüngeren Agentenfilm-Geschichte eine Liste mit den Namen von Agenten als zentrales Handlungsmoment herhalten. Und der Bösewicht, wenngleich von Javier Bardem hinreißend exaltiert gespielt, hat im Vergleich zu seinen Vorgängern eine relativ bescheidene Agenda – die aber für die zentralen Entwicklungen der Story von essentieller Bedeutung ist. Ralph Fiennes fügt sich sehr stark ins Ensemble ein, bei seiner Figur Gareth Mallory, Vorsitzender des Komittees für Sicherheit und Geheimdienste, ist lange unklar, auf welcher Seite sie steht.

Auch die Rolle des „Q“ ist neu vergeben, Ben Wishaw spielt ihn als jungen Nerd, der für „explodierende Kugelschreiber“ nur ein müdes Lächeln übrig hat und Bond lediglich mit einer Pistole und einem Radiotransmitter bewaffnet in die Schlacht schickt. Die Bondgirls spielen bis kurz vor Schluss keine entscheidende Rolle in „Skyfall“, Noami Harris als Agentin Eve ist vor allem in der Eröffnungssequenz zu sehen, die von Bérénice Marlohe gespielte Sévérine steht klar in der Tradition der weniger wichtigen Bondgirls ohne zentrale Bedeutung für die Story.

Eine der größten Schwierigkeiten der letzten Bondfilme war es, einen Bösewicht zu schaffen, der sowohl ‚larger-than-life‘ ist und die Weltherrschaft anstrebt, aber auch zum realistischer gewordenen Ton der Reihe passt. Die Autoren von „Skyfall“ haben das gelöst, indem sie den Fokus etwas verändert haben und die Figuren verstärkt um sich selbst kreisen lassen. Für die Zukunft aber werden sich die Produzenten hier etwas einfallen lassen müssen. Reale, bzw. zu nah an die Realität angelehnte Figuren sind für ein globales Franchise schwierig (und Nordkorea wurde schon in „Die Another Day“ ziemlich jämmerlich verwurstet), ein neuer Blofeld ist auch keine echte Lösung.

Insgesamt aber kann „Bond 23“ überzeugen. Er verbindet Tradition und Moderne, geht trotz 144 Minuten Laufzeit vorbei wie im Flug, bietet Humor, Drama, Action und echte Spannungsmomente. Einem stumpfen Wettrüsten mit anderen großen Action-Blockbustern geht der Film wohlweislich aus dem Weg, ohne dabei Action-Fans zu enttäuschen. Daniel Craig ist nach nunmehr drei Filmen endgültig im kollektiven Gedächtnis des neuen Jahrtausends als DER Bond etabliert. Seine Performance ist stimmig, er darf nun von mir aus im nächsten Film auch mal ohne allzu große Sorgen stilvoll die Welt retten. Das schönste ist, dass sich „Skyfall“ über die gesamte  Länge wie ein echter Bondfilm anfühlt.

4/5 [Ob da noch 5/5 draus werden entscheide ich nach dem zweiten Durchlauf im Heimkino…]

 

[Spoilers]

Dass Ralph Fiennes der Reihe als neuer „M“ erhalten bleibt finde ich eine gute Wahl. Er bringt alles mit, um diese Figur (die erst seit Judi Dench sie 1995 übernahm häufiger eine zentrale Rolle für die Handlung einnimmt) überzeugend in kommende Filme zu transportieren. Auch die neue „Moneypenny“ gefällt mir sehr gut, zumal auch diese Rolle nun mit etwas Background ausgestattet ist und Naomi Harris ihren gemütlichen Platz am Schreibtisch sicher noch einige Male verlassen wird.