Irreversible

Beim Betrachten von „Irreversible“ drängt sich mir der Vergleich mit zwei der besten Filme der letzten Jahre auf: Christopher Nolans „Memento“ und Darren Aronofskys „Requiem for a Dream“. Vom Ersteren entleiht sich Gaspar Noès Film die rückwärtsgewandte Erzählstruktur, und so beginnt er mit dem chronologischen Ende, einem blutigen Racheakt, verübt von Marcus (Vincent Cassel) und Pierre (Albert Dupontel) an einem Zuhälter namens „La Tenia“. Schauplatz dieses finsteren Geschehens ist ein zwielichtiger Schwulenclub namens „Rectum“. Die nächste Szene zeigt Marcus und Pierre auf der Suche nach La Tenia, die Ereignisse laufen dann weiter zurück bis zu jener Tat, die die beiden zu ihren Gewaltätigkeiten getrieben hat.In einer einzigen, scheinbar unendlich langen Kameraeinstellung zeigt Noè die überaus brutale Vergewaltigung von Alex (Monica Belucci) durch einen Zuhälter. Auch weil die Szene überzeugend gespielt ist, sind die grausamen Bilder nur schwer zu ertragen. Die schonungslose Intensität errinert dabei an „Requiem for a Dream“, der zwar chronologisch, aber ähnlich drastisch seine düstere Geschichte erzählt. Dass „Irreversible“ überhaupt auszuhalten ist liegt vor allem daran, dass die Erzählung nicht nur das Geschehen zwischen Tat und Rache schildert, sondern noch weiter zurückblickt. So erfährt der Zuschauer, dass Marcus, Pierre und Alex eine Party besucht haben, dass sie gelacht, getrunken, getanzt und sich auch gestritten haben. Zuvor sind sie gemeinsam mit der Metro zur Feier gefahren, und am Ende des Films (und damit am chronologischen Anfang) zeigt der Film, wie Marcus und Alex friedlich im Bett liegen, zwei Verliebte, deren Nacktheit die Unschuld symbolisiert, die sie später verlieren werden.

Zunächst kamen mir die Szenen auf der Party und auch davor ein wenig überflüssig vor, schließlich weiss man, was passieren wird. Doch die Szenen haben eine wichtige Funktion – sie ermöglichen es dem Film auf einer positiven Note zu enden. Man lernt die drei Hauptdarsteller noch einmal neu kennen, nicht als Täter und Opfer, sondern als normale Menschen. Anders als „Requiem for a Dream“ fährt „Irreversible“ deshalb den Zuschauer nicht am Ende gemeinsam mit seinen Figuren brutal gegen die Wand. Trotzdem bleibt der Film schwer verdauliche Kost. Schon auf dem Fernsehschirm – ich habe ihn bei Incredibly Strange Video auf Dvd leihen können – entfalten die Bilder eine große Wirkung, die ich auf der Kinoleinwand nicht (noch) einmal erleben möchte. Kinovergnügen ist „Irreversible? ganz sicher nicht. Doch lohnt sich Noès Film für jeden, der bereit und gewillt ist sich ihm auszusetzen. Somit haben „Requiem…“ und dieser Streifen eine weitere Gemeinsamkeit – beide sind gelungene Werke, die ich kein zweites mal sehen möchte.
7/10