Die Erwartungen an die Matrix-Fortsetzungen „Reloaded“ und „Revolutions“ waren hoch, und schon der erstere hat viele verwirrte und gar enttäuschte Gesichter hinterlassen. Ich fand „Reloaded“ ganz in Ordnung, fragte mich allerdings genau wie jeder andere, was für ein Ende die hochkomplizierte Story nehmen würde. Hatte der Architekt recht, als er Neo am Ende vor die Wahl Zion oder Trinity stellt? Was ist aus Agent Smith geworden, wie passt der Merowinger ins Bild, seine Frau Persephone, das Orakel? „Revolutions“ konnte mir diese Fragen nicht beantworten. Der Merowinger hat einen Kurzauftritt, der nicht weiter wichtig ist, Persephone (Monica Bellucci) sagt einen einzigen Satz, und das Orakel orakelt kräftig vor sich hin. Einzig verstehe ich nicht, was sie sagt. Es ist schon ein wenig schade, dass die meisten dieser Programme/Figuren die Handlung so plötzlich verlassen wie sie sie betreten haben. Es ist spekuliert worden, der Kuss zwischen Neo und Persephone sei von größerer Bedeutung als es in „Reloaded“ schien, doch auch das darf getrost vergessen werden.Vielleicht ist die konfuse und zusammenhangslos scheinende Handlung von „Revolutions“ zu verstehen, wenn man die beiden erschienenen Videospiele durchgespielt und „Animatrix“ sorgfältig betrachtet hat. Fest steht, dass der Genuss der Filme allein nicht ausreicht, um den Plot zu kapieren. Ein Beispiel: Die Maschinen haben ihren Angriff auf Zion begonnen, die sich tapfer zwar wehrenden Menschen scheinen langsam am Ende zu sein. Neo fährt zur Quelle der Maschinen, ihrem Hauptsitz und schlägt einem Special-Effects-Etwas vor, er würde das Programm „Agent Smith“(.exe?) vernichten. Was er dann tut. Neo verwandelt sich in der Matrix in eine Lichtgestalt, Smith ist am Ende. Die Maschinen brechen ihre Attacke ab (warum haben sie eigentlich angegriffen?), Zion ist gerettet. Das zuvor von Smith vereinnahmte Orakel sitzt auf einer Bank (in der Matrix, nehme ich an), das Wetter ist wunderbar, der Architekt kommt kurz vorbei, um darauf hinzuweisen, dass er nicht menschlich ist. Das wars. Was ist denn nun mit den Millionen gefangenen Menschen, die den Maschinen als Batterien dienen? Was wird aus den Menschen in Zion, schließlich ist die Erdoberfläche immer noch verwüstet und die Stadt selbst sieht schlimmer aus als Detroit?!
Nun ja, ich glaube man könnte hundert Fragen stellen, aber mich würden die Antworten, selbst wenn sie schlüssig wären, wohl nur noch bedingt interessieren, denn es gibt noch ein anderes Problem mit „Revolutions“. Oder besser mehrere.
So ist es z. B. im Kopf nicht auszuhalten, was Morpheus, das Orakel, Neo, Smith und Konsorten den ganzen Film über von sich geben. Zwei Beispiele:
Trinity: „If you tell me we`ll make it, I`ll believe you.“
Neo: „We`ll make it.“
Morpheus: „You`ve never believed in The One“
Niobe: „I still don`t. I believe in him.“(gemeint ist Neo)
Was zu Hölle soll das? Inflationär prasseln Worte wie „Destiny“, „Fate“, „Purpose“ und „Belief“ auf den Zuschauer ein, ständig ist von „Prophecy“ und „Choice“ die Rede. Offensichtllich wissen auch die Figuren nicht so recht, was eigentlich Sache ist und reden deshalb lieber in Rätseln. Oder sagen einfach mal nebenbei, dass Kekse Liebe brauchen, und dass Liebe aber nur ein Wort sei, genau wie Karma. Es ist zuweilen geradezu lächerlich. War im ersten Teil von „The Prophecy“ oder „The One“ die Rede, glaubte man wenigstens zu wissen, um was es geht. Jetzt kann ich nicht es nicht fassen, was die Charaktere da für Sachen sagen.
Der Großteil der Handlung spielt nicht mehr in der Matrix (das Verhältnis drohte bereits in „Reloaded“ zu kippen), sonder in der „echten“ Welt. Die Schlacht um Zion dauert viel zu lange, von bahnbrechenden Effekten kann nur noch vereinzelt gesprochen werden. Beim Anblick der riesigen Kampf-Roboter, die aus irgendwelchen Gründen nicht ferngesteuert werden, konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen. Ein Mensch spricht vor der Schlacht von der Infanterie, die dann aber später offenbar nur aus einem halben Dutzend Leuten besteht. Die zahlreichen Fahrten mit den Raumschiffen sind zu lang geraten und wenig beeindruckend, man hat das immerhin schon diverse Male gesehen.
Ein Beispiel für die Schwäche der Inszenierung: Agent Smith, der sich im zweiten Teil in die reale Welt eingeschleust hat, steht in Person von Bane Neo gegenüber. Unverständlicherweise erkennt dieser ihn nicht, obwohl Schauspieler Ian Bliss recht gekonnt spricht und gestikuliert wie Agent Smith. Während der Zuschauer längst weiss, was los ist, hat der gute Auserwählte schlicht Ladehemmung, obschon Smith ja sein einziger Feind ist (hat ihn irgendwer sonst jemals Mr. Anderson genannt?). Irgendwann schnallt er es dann doch, macht Bane kalt, verliert dabei sein Augenlicht. Das wiederum führt aber nicht dazu, dass er nun blind wäre. Er sieht nun aber „anders“. Na wunderbar.
Was „Revolutions“ ebenso abgeht wie sinnvolle Dialoge ist Spannung, denn der Film lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass Neo die Welt retten kann und wird. Neo steht am Ende ein letztes Mal in der Matrix Erzfeind Smith gegenüber, und die beiden liefern sich einen ganz ansehnlichen Zweikampf. Diese Szenen sind so ziemlich die einzigen, die noch einmal überzeugen können, die optisch herausragen und sogar ein wenig absichtliche Komik enthalten, denn irgendwas stimmt nicht mit dem gefräßigen Agenten…
Ich hatte gehofft, dass mir „Reloaded“ besser gefallen würde, nachdem ich „Revolutions“ gesehen habe. Und tatsächlich sehe ich ihn jetzt in einem positiveren Licht. Leider nicht deshalb, weil nun das Puzzle zusammen gefügt wäre und die Handlungstränge einen Sinn ergeben hätten, sondern weil dieser (hoffentlich) letzte Teil so wenig unterhaltsam und fesselnd ist, dafür aber stellenweise unfreiwillig komisch oder schlicht langweilig. „Reloaded“ ist vielleicht verwirrend, aber sicher nicht langweilig und bietet auch die sehenswerteren Action-Sequenzen. Nun, man darf gespannt sein, ob die Wachowski-Brüder, die für Drehbücher und Regie verantwortlich sind, ihr langes Schweigen brechen werden und sich zu einigen Bemerkungen zu ihrem Werk hinreißen lassen.
3/10