Gothika

Es gibt in der englischen Sprache einen Ausdruck, der auf „Gothika“ besser passt als jeder (mir bekannte) Begriff der deutschen Sprache: guilty pleasure. Ein mit leichten Schuldgefühlen verbundenes Vergnügen, im Falle von „Gothika“ hervorgerufen durch einen guten schlechten Film. Regie führt bei diesem Matthieu Kassovitz, der neben „Hass“ auch den definitiv schlechten schlechten Film „Die purpurnen Flüsse“ gedreht hat. Als Schauspieler kennt man ihn ebenfalls, am bekantesten wohl seine Rolle in „Amelie“ als deren Liebster.In der Hauptrolle ist Halle Berry als Psychologin Miranda Grey zu sehen, frisch verheiratet mit dem Chef jener Klapsmühle, in der sie arbeitet. Eines Abends ist Miranda gezwungen einen Umweg nach Hause zu nehmen und trifft dabei auf ein junges Mädchen, das nackt im Regen steht. Als Miranda sie ansprechen will, scheint sie Feuer zu fangen – Schnitt. In der nächsten Szene ist die Ärztin schon zur Patientin geworden. In einer Zelle ihres ehemaligen Arbeitsplatzes erfährt die verstörte Frau von ihrem Ex-Kollegen Pete (Robert Downey Jr.), dass ihr Mann auf brutale Art und Weise ermordet wurde. Hauptverdächtige ist sie selbst, da sie definitv am Tatort gewesen ist.

„Du kannst niemandem vertrauen, der dich für verrückt hält“, etwa in dieser Form bringt gleich am Anfang des Films Mirandas Patientin Chloe (Penelope Cruz) eine Wahrheit zum Ausdruck, die für die Handlung entscheidend ist. Während ihr Umfeld bemüht ist, ihre „Geisteskrankheit“ zu verstehen, muss Miranda alleine Licht ins mysteriöse Dunkel bringen. Das ist als Insassin einer geschlossenen Anstalt natürlich nicht ganz einfach. Überzeugt von ihrer eigenen Unschuld und heimgesucht von einigen wegweisenden Erscheinungen kommt sie der schrecklichen Wahrheit langsam auf die Schliche.

Entscheidend für eine solche doch sehr trashige Story ist die Art und Weise, auf die sie vermittelt wird. Kassovitz` düstere Bilder sorgen für eine angemessen gruselige Atmosphäre, in der Halle Berry eine gute, wenn auch nur bedingt anspruchsvolle Leistung zeigt. Im Gegensatz zu ambitionierten Irrenhaus-Filmen wie „Einer flog übers Kuckucksnest“ oder auch „Girl, Interrupted“ macht „Gothika“ keinen Hehl daraus, dass die Anstalt hier einfach der passende Schauplatz für eine anständige Psychothriller-Story ist. An erster Stelle steht die Unterhaltsamkeit des Geschehens, für die bekannte und gute Nebendarsteller ebenso sorgen wie das straffe Erzähltempo. Vorhandene Lücken der Story werden dadurch zwar nicht überdeckt, fallen aber weniger ins Gewicht, dasselbe gilt für die zwar durchaus zufriedenenstellende, aber etwas rätselhaft bleibende Auflösung. Wer genau was und warum getan hat ist mir jedenfalls nicht ganz klar geworden, gestört hat mich das aber wenig.

Man kann „Gothika“ nicht wirklich ernst nehmen, der konstruierte Plot und die rätselhaften Erscheinungen sind kein Material für ein seriöses Drama. Gut für den Film, dass dies alle Beteiligten offensichtlich verstanden haben. Das große Geheimnis, hinter das der Zuschauer natürlich ebenso kommen will wie die Figuren im Film, hinterläßt keinen zu faden Nachgeschmack, es trifft denselben Ton wie der Rest des Films. So vermeidet man einen sinnlosen und nervigen Schluss wie z. B. das „Planet der Affen“-Remake oder jüngst „Basic“. Deshalb gilt für Kassovitz‘ jüngste Arbeit, was ich über die beiden anderen Streifen nicht zu sagen wage: That`s entertainment.

7/10