Es ist nicht lange her, dass mit „Twisted“ und „Taking Lives“ gleich zwei Filme herauskamen, die mit Serienkillern und weiblichen Hauptcharakteren aufwarten konnten. Nun reiht sich mit „In the Cut“ der nächste Film ein, diesmal jedoch ist die zentrale weibliche Figur nicht Polizistin, sondern Zeugin und potentielles Opfer. Meg Ryan spielt die immer etwas abwesend wirkende Literaturprofessorin Frannie, ein durchaus ernstzunehmender Versuch dem Image von der ewigen Zuckerschnute mal für einen Moment zu entkommen. Dafür schreckte sie auch vor expliziten Sex- und Nacktszenen nicht zurück, die dem Film zu einem zweifelhaften Ruf als „Skandalfilm“ verhalfen.
Die neugierige, sexuell etwas orientierungslose Frannie beobachtet eingangs im dunklen Hinterzimmer einer Bar eine Fellatio-Szene, was auf sie einen starken, verwirrenden Eindruck macht. Anhand eines Tattoos erkennt sie in dem Mann dieser Szene Tage später den Polizisten Malloy (Mark Ruffalo) wieder, der sie um Auskunft in einem Mordfall bittet. Pikanterweise war das Opfer zuletzt in eben jener Bar an eben jenem Tag gesehen worden. Trotzdem lässt sich Frannie auf eine Affäre mit dem attraktiven, machohaften Detective ein. Während die Suche nach dem Mörder, der immerhin in der Nachbarschaft Frauen zerstückelt, in den Hintergrund tritt widmet sich der Film intensiv Frannies Leben zwischen ihren Studenten, ihrer kleinen Halbschwester Pauline (Jennifer Jason Leigh), ihrem Ex-Lover John (Kevin Bacon) und ihrer Beziehung zu dem geheimnisvoll-anziehenden Malloy.
Für den Plot unwichtige Szenen nehmen locker zwei Drittel des Films ein, was zu verschmerzen wäre, wenn nicht der ungeliebte Punkt kommen würde da man sich fragt: Wie wollt ihr aus der Nummer jemals wieder rauskommen? Nun, ?In the Cut? kommt nicht raus, sondern präsentiert ein lupenreines Schema-F Ende (siehe „Twisted“) und scheitert somit als Thriller auf der ganzen Linie. Trotzdem ist der Film immer dann spannend und interessant, wenn er bei seinen beiden Hauptdarstellern bleibt. Meg Ryan zeigt eine sehr gute Leistung und macht die zunehmende Verwirrung Frannies spürbar, ihre Neugier und Naivität. Mark Ruffalo gebührt großer Respekt für seine Leistung, sein Malloy ist eine „Larger Than Life“-Figur, ein komplexer Charakter hinter einer interessanten Polizisten-Fassade. Sein intensives, sehr physisches Spiel ist beeindruckend und überzeugend.
Die vielen Ideen und Komponenten des Geschehens stehen sich ein leider selbst im Wege und machen dadurch die Glaubwürdigkeit der Story kaputt. Da ist das sündige Psychodrama in einer verruchten Großstadt, das plötzlich in das Leben von Frannie tretende abgründige Verbrechen, die vielen Anspielungen auf Poesie und eine Vielzahl an Nebenfiguren. Filme wie „Blue Velvet“ und „The Big Easy“ kommen einem da in den Sinn, doch schafft es „In the Cut“ nicht, mehr zu sein als die bloße Summe seiner Teile. Aufgrund der guten Darsteller und der über weite Strecken sehr guten Inszenierung sind dem Film seine Schwächen jedoch einigermaßen zu verzeihen. In all seinem Facettenreichtum und dem starken künstlerischem Ausdruck scheitert er letztlich (nur) an seiner Überambitioniertheit.
6/10