Ja ja, die Comic-Verfilmungen. Geradezu inflationär erobern sie seit dem Erfolg von „X-Men? und „Spider-Man? die Leinwände dieser Welt. Von ziemlicher Grütze („Daredevil?) bis zu starkem Unterhaltungskino („X-Men?) ist einiges zu sehen gewesen. Zu den besseren Vertretern des Genres gehört auch der erste „Spider-Man? aus dem Jahre 2002. Einen erfrischend menschlichen Peter Parker (Tobey Maguire) ereilte damals der Ruf des Abenteuers. Mit Stärken in der Charakterzeichnung (haha!) und gelungenen Effekten wusste Regisseur Sam Raimi zu punkten, der Comic-typische Bösewicht-Plot mit dem giftgrünen Chemieabfall in Gestalt von Willem Dafoe hingegen kam über das gesunde Mittelmaß nicht wirklich hinaus. Mit dessen „Green Goblin? hat es, wir seit zwei Jahren wissen, ein böses Ende genommen, doch damit haben sich für Peter Parker längst nicht alle Probleme erledigt. Denn nicht mal seine engsten Freunde Maryjane und Harry (Kirsten Dunst und James Franco) wissen von seinem anstrengenden Doppelleben ? was den armen Kerl doch arg belastet.Das Sequel nimmt den Erzählfaden des Vorgängers ziemlich direkt wieder auf. Maryjane und Peter sind nur noch gute Freunde, Harry trägt derweil einen immensen Hass auf den armen Spidey mit sich rum, hält er ihn doch für den hinterhältigen Mörder seines Vaters Norman Osborn aka „Green Goblin?. Sein Superheldendasein ist zur großen Bürde geworden, Peter vernachlässigt sein Studium und verliert trotz größter Anstrengungen seinen Job als Pizzalieferant. Als ihn schließlich noch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zeitweise im Stich lassen, seiner Tante die Zwangsräumung droht und Maryjane mit einem Verlobten um die Ecke biegt ist das Maß endgültig voll. Das Spinnenkostüm hat (erstmal) ausgedient.
Die Heerschar an Drehbuchautoren (laut imdb.com immerhin vier Leute), die für das Skript des Films verantwortlich zeichnet, hat ganze Arbeit geleistet. Gleich in den ersten Szenen taucht der Zuschauer wieder tief ein in die Welt von Spider-Man, dieser nahen und doch so fernen, weil comichaften Zukunft. Indem Parkers Probleme und die Zerrissenheit seiner Figur in den Vordergrund rücken vermeidet „Spider Man 2? (was für ein Segen eine Fortsetzung ohne beknackten Untertitel doch ist!) es, in die „Batman und Robin?-Falle der knallbunten Daueraction ohne Hirn zu laufen. Tobey Maguire beweist mit seiner hervorragenden Darstellung erneut, dass er die Action-Szenen problemlos meistern kann, seine Stärke jedoch in den ernsteren Momenten liegt. So ist der Weg zum Finale auch hier wieder besser als das große Spektakel am Ende. Die Rolle des Bösewichts fällt diesmal wieder einem Wissenschaftler zu, dem von Alfred Molina verkörperten Dr. Octavius. Nach einem schiefgelaufenen Experiment (ja genau, die alte Leier, zum Glück aber filmisch gut umgesetzt) mutiert er zum achtarmigen Ungetüm, besessen von der Idee, zum Wohle der Menschheit und zum Schaden New Yorks eine gewaltige „Was auch immer?-Fusion auf den Weg zu bringen.
Am Plot von „Spider-Man 2? könnte man natürlich herummäkeln, ganz frei von Fehlern ist er sicher nicht. Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass Sam Raimi wieder sehr viel mehr richtig als falsch macht. Sein Timing ist über weite Strecken beeindruckend, nur ganz selten erlaubt man sich einen Blick auf die Uhr, etwa wenn Tante May einen Tick zu ausführlich aus dem Nähkästchen plaudert. So unterhaltsam Peter Parkers Identitätskrise für den erwachsenen Zuschauer auch sein mag, die junge Zielgruppe muss bedient werden ? und so gesellen sich einige etwas kitschige und zuckrige Szenen in die ansonsten reibungslose Inszenierung. Mit viel Humor nimmt der Film seinen Helden in seinen schwachen Momenten auf die Schippe, ohne ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Viel Anklang beim Publikum des ersten Teils fand ganz offensichtlich der Chefredakteur des Revolverblattes, für das Parker nebenher arbeitete. Seine Rolle wurde ausgebaut und glänzt mit einer Vielzahl an markigen Sprüchen. Die Special-Effects sind auf der Höhe der Zeit und dienen der Story ? und nicht umgekehrt. Einige sehr wenige Einstellungen „glänzen? dann doch mit Computerspiel-Optiken, was die Überzeugskraft und Energie der anderen Effekte aber nicht beeinträchtigt.
Ohne zuviel verraten zu wollen, kann man getrost feststellen, dass wir „Spider-Man? nicht zum letzten Mal in Action gesehen haben. Obschon einige Handlungsfäden aus dem ersten Teil aufgelöst werden, bleibt genug Stoff für eine weitere Fortsetzung. Mit ein bisschen Glück lenkt Regisseur Raimi seine etablierten Figuren noch einmal mit so viel Geschick durch eine grundsolide Story und beweist Geschick bei der Einführung neuer Figuren. In den vielen Stories, die in unzähligen Comicheften erzählt wurden, steckt sicher noch die eine oder andere kinotaugliche Figur drin. Und vielleicht, es wäre schön, erleben wir den Spinnenmann dann im Kampf gegen einen gänzlich unmutierten Gegenspieler. Wenn es so etwas im Universum der Marvel-Comics überhaupt gibt. Ick weeß et nich.
8/10