Es gibt da so Filme, da kommt man mit den üblichen Kategorisierungen und Beschreibungen nicht wirklich weiter. Ob Komödien lustig, Thriller spannend und Dramen glaubwürdig sind ? die Genres geben nicht nur einen Handlungsrahmen, sondern auch eine bestimmte Erwartungshaltung vor. Etwas anders liegt der Fall bei ?Hotel Ruanda?, der sich mit dem verheerenden Genozid in Ruanda vor gut zehn Jahren befasst. Wer von Euch etwas über diesen Film gehört hat, der ahnt vielleicht bereits, dass hier ein Musterbeispiel für so genannte ?schwere Kost? am Start ist. Und ja, sicher ist der Film kein Kinovergnügen, er lässt kein Abschalten zu. Kinos, die den Film zeigen, könnten Sitze ohne Sessel anbieten, denn so richtig zurücklehnen mag man sich beim Betrachten sowieso nicht.
Die Erwartungen des Publikums sind, sofern rudimentäres Vorwissen da ist, `grausam`. Schließlich geht es um eine üble Katastrophe, schlimmer noch, um Massenmord, der hätte verhindert werden können. Der Inhalt im Schnelldurchlauf: Nach einem Friedensvertrag mit Tutsi-Rebellen kommt der Präsident bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die durch Regierung und öffentliche Meinung angeheizten Massen von Hutus (vor allem Milizen und Militär) gehen innerhalb kurzer Zeit an ihr grausames Werk, die Minorität der Tutsis (von den ehemaligen Kolonialherren bevorzugt) auszurotten. Hotelmanager Paul (Don Cheadle), ein mit einer Tutsi verheirateter Hutu, kann seine Familie grade noch ins Hotel Milles Collines retten. Schon bald kommen weitere Flüchtlinge, die bei ihm Unterschlupf suchen und finden. Mit Schmiergeldern und Günstlingswirtschaft hält Paul den Laden am Laufen. Doch als klar wird, dass die Internationale Gemeinschaft (sprich UNO, NATO oder sonst irgendjemand) keine Friedenstruppen schicken werden, der Genozid weiter betrieben wird und ihm die Schmiergelder ausgehen, wird die Luft für die Flüchtlinge im Hotel Ruanda dünn.
Selten ist ein Stück Politik/Neuere Geschichte so überzeugend auf die Leinwand gebracht worden. Der an ?Schindlers Liste? erinnernde Kunstgriff eine ? einigermaßen ? optimistische Geschichte vor dem Hintergrund eines Völkermords zu erzählen funktioniert aus mehreren Gründen. Erstens ist das Grauen gerade noch erträglich, was Regisseur Terry George einem zumutet, zweitens ist die Geschichte wahr und belegt, drittens greift der – siehe Schindlers Liste – Vorwurf nicht, unermessliches Leid mit magersüchtigen Statisten aufgewogen zu haben. Die von berauschten Killern verübten Morde mit Macheten und anderen primitiven Waffen lassen sich darstellen, ohne Hinterbliebene zu verärgern. Dabei hält der Film die Balance, den Schrecken deutlich sichtbar zu machen, dabei aber den Magen des Zuschauers und die wirklich interessante Geschichte um die ?Gäste? des Hotels nicht aus den Augen zu verlieren.
Don Cheadle, bekannt etwa aus ?Boogie Nights? und Soderberghs ?Ocean?-Filmen, führt eine großartige Darstellerriege an, von denen die allermeisten hierzulande unbekannt sind. Mit Joaquin Phoenix, Nick Nolte und Jean Reno sind lediglich die Nebenrollen für Weiße mit prominenten Namen besetzt. Trotz des politisch brisanten Hintergrunds ist es gelungen, ein zutiefst menschliches Drama zu erzählen. Der Kontrast gegenüber schäbigen Gutmenschen-Schmonzetten wie ?Jenseits aller Grenzen? könnte nicht größer sein. Wenn irgendein Film der letzten Monate das veraltete Prädikat ?besonders wertvoll? verdient, dann ist es ?Hotel Ruanda?. Fesselndes, empörendes und überzeugendes Kino für alle, die sich zwei Stunden Zeit nehmen mögen, in eine erschreckend aktuelle Vergangenheit einzutauchen. Einziger Wehmutstropfen: auch ein international erfolgreicher Film wie dieser kann weitere Konflikte ? siehe Dafur ? weder verhindern noch hat er es geschafft, dieses Thema aus der ?traurige Nachrichten aus Afrika?-Nische heraus zu holen.