Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe bei Pocahontas immer an ein Märchen von Walt Disney gedacht. Nun, die Zeichentrick-Mär um eine hübsche Häuptlingstochter, die einen Weißen heiratet, hat tatsächlich einen historischen Kern. Regisseur Terrence Malick („Der Schmale Grad“) nähert sich nun mit seinem neuen Film „The New World“ dieser Geschichte an. Sein Film ist im weitesten Sinne ein Abenteuerfilm, der die Besiedlung der späteren USA durch englische Siedler im Jahr 1607 behandelt. Im heutigen Bundesstaat Virginia gehen die Neuankömmlinge an Land, wo sie von den Einheimischen neugierig und etwas mißtrauisch beäugt werden. Unter den Siedlern ist Captain John Smith, gespielt von Colin Farrell.Schon in den ersten Bildern wird sehr deutlich, dass Malick nicht an der bloßen Erzählung einer populären Geschichte gelegen ist. Vielmehr versucht er durch seine ausführlichen, grandiosen Landschaftsaufnahmen und den nachdenklichen Off-Kommentar von Smith und Pocahontas die Erfahrungen der Siedler für sein Publikum erlebbar zu machen, das Staunen über das fruchtbare Land und die Unsicherheit im Umgang mit den Ureinwohnern. Frauen sind bei den Siedlern so gut wie gar nicht an Bord gewesen, weshalb die Erscheinung der indianischen Schönheit Pocahontas umso eindrucksvoller ist.
In langen Einstellungen und ruhigen Bildern erzählt der Film seine Geschichte, die mit der unerfüllten Liebe zwischen John Smith und der jungen Häuptlingstochter noch längst nicht vorbei ist. Indianer und Siedler geraten aneinander, als klar wird, dass die Engländer keineswegs nur auf der Durchreise sind, und auch keine natürlichen Besitzansprüche der natürlichen Bewohner der neuen Welt akzeptieren. Trotzdem ist der Film keineswegs politischer Natur. Er portraitiert die Indianer weder als edle Wilde noch als blutrünstige Barbaren und leistet sich eine fast schon naive Natürlichkeit bei der Darstellung von Annäherung und Verständigung der beiden verschiedenen Völker.
Die Grundstimmung von „The New World“ ist medidativ, die eindrucksvollen Bilder werden schon mal mit (in diesem Fall erstaunlich unpompöser) Musik von Richard Wagner unterlegt. Fast ohne künstliches Licht gedreht spielen alle Szenen am hellichten Tage oder in der Morgen- bzw. Abenddämmerung. Der Film hat seinen erzählerisches Zentrum in der Figur von John Smith, Pocahontas und ihrem späteren Ehemann, greift dabei aber eine Vielzahl von Themen auf. Die Situation der Siedler in den schwierigen ersten Wintern, das Leben eines Europäers unter den Ureinwohnern und ebenso das Leben einer Indianerin unter Europäern. So ergibt sich im Ganzen ein dichtes und realistisches Bild einer lange vergangen Zeit, in der auch die Idee von der Gründung der Vereinigten Staaten als einer neuen und besseren Welt zur Sprache kommt. Doch geht es hier ausschließlich um den Anfang der Besiedlung. Und es ist gerade dieser Beginn, der den Zauber des Stoffes ausmacht. Wäre dies ein Mainstream-Drama, würde am Ende wahrscheinlich noch eingeblendet, wie die Besiedlung fortschritt und die Indianer um ihr Land gebracht worden sind, doch darum geht es dem Film (zum Glück) weder vorder- noch hintergründig.
Terrence Malick hat mit „The New World“ einen Gegenentwurf zu den modernen, schnell geschnittenen Hollywoodfilmen geschaffen. Doch zum Glück kommt sein Film kein bißchen überheblich daher, sondern nimmt die Zuschauermit seiner geruhsamen Erzählweise ganz allmählich für seine Geschichte ein. Das dauert zwar eine Zeit, weshalb sich ein großer Teil des durchschnittlichen Publikums vielleicht recht früh gelangweilt von seinem Film abwendet. Wer sich aber mit Lust auf bildgewaltiges Kino und eine ungewohnte Welt auf diesen Film einlässt, der wird schwerlich enttäuscht werden.
8/10
PS: Ich habe bereits in der Rezension zu „Underworld:Revolution“ geschrieben, der Film sei eher was fürs Kino, und das gilt umso mehr für „The New World“. Erwähnen tue ich das nur deshalb, weil es – wie ich finde – Filme gibt, die zwar sehr gut sind, aber nicht unbedingt im Kino gesehen werden müssen, um ihre Wirkung entfalten zu können. In letzter Zeit wäre da z. B. „Capote“ zu nennen, oder auch „The Weather Man“. Angesichts der Tatsache, dass man selten die Zeit findet, wirklich alle interessanten Filme im Kino mitzunehmen (was definitv die beste Lösung wäre) halte ich eine solche Unterscheidung für sinnvoll.