Es gibt eigentlich bloß zwei Arten von Filmen. Solche, die ich sehen will, und solche, die ich nicht sehen will. Ganz einfach. Und eben doch nicht ganz so einfach, denn „Brokeback Mountain“ bewegte sich ziemlich genau dazwischen. Einerseits ist der Film überall gefeiert worden, wurde für den Oscar nominiert, und stammt von Ang Lee, dessen „Eissturm“ und „Tiger & Dragon“ großartige Filme sind. Andererseits ist dies ein über zweistündiges Melodrama mit Anleihen beim Western und erzählt die traurige, weil unmögliche, Liebesgeschichte zweier Cowboys. Nicht unbedingt meine cineastische Präferenz. Dazu kommt, dass Ang Lees Schaffen auch den Langweiler „Ride with the Devil“ beinhaltet .Na ja, offensichtlich habe ich den Film nun gesehen, sonst wäre dieser Eintrag reichlich sinnlos. Es gibt auch eine gute Nachricht, denn „Brokeback Mountain“ ist ein tatsächlich ein guter Film. Als Western kann man ihn auch gar nicht bezeichnen (nichts gegen Western an sich, sie sind nur oft so laaaangweilig), denn die Handlung beginnt im Jahre 1963, und da gab es auch in Wyoming, wo der Film die meiste Zeit spielt, schon Telefon und Fernsehen anstatt von Siedlungsgrenzen und rauhbeinigen Sheriffs. Zum Beginn des Sommers heuern Ennis Del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhall) bei dem Besitzer einer großen Schafherde an. Mit einigen tausend Tieren ziehen sie in die Berge, wo sie den Sommer über auf die fröhlich vor sich hin meckernden Viecher aufpassen sollen.
Oben in der Einsamkeit der Wildnis kommen der wortkarge Ellis und der lebenslustige Rodeoreiter Jack gut miteinander aus. Nach einigen Wochen sind sie sich plötzlich sehr viel näher, als sie das erwartet haben, und aus dem Sommerjob wird eine Romanze. Schon bald ist es jedoch wieder vorbei mit der Herrlichkeit, denn ein drohendes Unwetter beendet die Zeit in den Bergen vorzeitig. Man sagt sich lebewohl und trennt sich, Ennis wird immerhin von seiner Verlobten Alma (Michelle Williams) erwartet. In den folgenden Jahren können sich die beiden nur selten sehen, aber niemals käme es ihnen in den Sinn, ihre heimliche Verbindung zu lösen. So treffen sie sich zu gemeinsamen, mehrtägigen Angelausflügen, von denen sie zur Verwunderung von Ennis Frau nie einen Fang mit nach Hause bringen…
Ohne seine großartigen Hauptdarsteller könnte „Brokeback Mountain“ nicht funktionieren. Sowohl Ledger als auch Gyllenhall schaffen es, ihre Figuren mit großer Genauigkeit und Sinn für ihre innere Zerrissenheit auf die Leinwand zu bringen. Das gilt nicht nur für die (zuweilen sehr intimen) gemeinsamen Szenen, sondern auch für beider Ehe- und Familienleben, welche zu führen keinem von ihnen besonders leicht fällt. Heutzutage ist ein schwules Paar in den Vereinigten Staaten keine Sensation, doch vor 40 Jahren sah das (vor allem im konservativen Hinterland der USA) noch etwas anders aus. Bis zum traurigen Finale tragen die Hauptdarsteller das mit aller Ruhe vorgetragene Geschehen. Die Nebenrollen sind gut besetzt, aber lediglich Ennis Frau Alma gewint nennenswertes Profil. Einige wunderbare Landschaftsaufnahmen bieten optischen Anreiz, der schwermütige Score passt glänzend dazu. Nur dass hin und wieder in Bars und Tanzlokalen gespielte, schlichtweg grausige Country-Genöhle ist schwer zu ertragen, wenn es wohl auch sein muss.
Ein paar Mängel müssen auch noch Erwähnung finden, wenn sie auch nicht allzu schwer ins Gewicht fallen. So umfasst der Zeitraum der Handlung knappe zwanzig Jahre, in denen Jack und Ennis jedoch äußerlich um maximal 10 Jahre „altern“. Heath Ledger soll am Ende einen Vierzigjährigen spielen, und den nimmt man ihm schlicht nicht ab. Ähnliches gilt für andere Figuren/Darsteller. Warum man die Geschichte nicht auf 10 Jahre beschränkt hat ist mir ein Rätsel, immerhin wäre das auch eine lange Zeit gewesen. „Brokeback Mountain“ ist trotzdem ein guter Film, allerdings keiner, den man unbedingt gesehen haben muss.
7/10