Vor den Augen des Kinopublikums haben schon so einige Bankräuber den vermeintlich perfekten Coup durchgezogen. In Spike Lees neuem Film „Inside Man“ versucht sich nun Dalton Russell (Clive Owen) an einer Bank in Manhattan. Draußen nimmt Lieutenant Frazier (Denzel Washington) die Verhandlungen auf, denn Russell hat einige Dutzend Geiseln in seiner Gewalt. Polizisten belagern die Bank, das Fernsehen ist live dabei. Dieses Szenario könnte sehr leicht im cineastischen Mittelfeld versinken, schließlich hat man es schon zigmal gesehen. Doch zum Glück wurde die Handlung um ein zusätzliches Level angereichert.Personifiziert wird diese weitere Komponente von der ominösen Beraterin Madeliene White (Jodie Foster). Auf den dringenden Wunsch des Chefs der Bank (Christopher Plummer) wird sie in die Verhandlungen involviert. Ihr geht es jedoch nicht um die Freilassung der Geiseln, sondern um den brisanten Inhalt einer kleinen Stahlbox. Die Psycho-Spielchen können also beginnen. Während Russell mit seiner Crew in der Bank die Geiseln in Overalls steckt und ihre Gesichter verhüllt, wird übers Telefon verhandelt, wie es denn weiter gehen soll. Um die Lage zu entspannen wird sehr bald erst mal Pizza für alle bestellt.
„Inside Man“ ist ein sogenannter Heist-Film und bewegt sich dementsprechend innerhalb einiger fester Regeln. Dazu gehört, dass die ganze Wahrheit über den Coup erst am Ende herauskommt. Solange gibt es viele falsche Fährten, auf die das Publikum und auch die Polizisten gelockt werden. Will Russell wirklich die ganze Kohle eintüten und mit einem Flugzeug türmen, wie er es nach außen hin verbreitet? Ist ihm an dem Inhalt der Box persönlich gelegen? Sind die Bösewichter wirklich Albaner? Die meisten dieser Fragen werden am Ende zufriedenstellend beantwortet, einige jedoch bleiben offen und sorgen so im Nachhinein für etwas Enttäuschung.
Auf dem Weg dahin präsentiert Spike Lee jedoch einen handwerklich sehr guten Thriller mit einer erstklassigen Besetzung. Jodie Foster spielt als selbstbewusster weiblicher Spin-Doctor ganz groß auf, Denzel Washington kann sich ebenso auf sein Charisma verlassen wie sein Gegenspieler Clive Owen. In einigen Szenen wird auch die Handschrift des Gesellschaftskritikers Lee deutlich, ohne dass er mit politischen Untertönen die Handlung untergraben würde. Vielmehr findet er unterhaltsame Wege, das multikulturelle Leben New Yorks (und seine Probleme) in das Geschehen mit einzubinden. Tatsächlich ist dies sein erster Mainstream-Film, wobei er etwa im Vergleich mit Tim Burton (und seinem unseligen „Planet der Affen“) eine gute Figur macht. Was den Film auszeichnet, ist das feine Gespür für den konstruierten Plot. Durch einige „Vorblenden“ bekommt der Zuschauer einige Tipps, wie das ganze wohl zuende gegangen sein mag, die Spannung bleibt dabei jedoch erhalten, denn die Informationen sind genau dosiert.
Trotz einiger weniger Längen, hauptsächlich gegen Ende der ersten Stunde, vergeht die Zeit bei „Inside Man“ wie im Flug. So gesehen hat der Film sein Ziel eindeutig erfüllt. Darüber hinaus gibt es noch ein paar bemerkenswerte Szenen, für großes, tiefgängiges Drama ist aber kein Platz, stattdessen gibt es gelungene, witzige Dialoge. Über die Auflösung und die Hintergründe des Ganzen wird in den Message Boards von imdb.com bestimmt noch Wochen gestritten und geplauscht werden. Fakt ist, dass hier in allen wesentlichen Bereichen vieles richtig gemacht wurde. Spike Lee beweist, dass er einen großen Studio-Film drehen kann, nicht mehr und nicht weniger. Aber irgendwie, es mag ungerecht sein, hätte ich eher noch etwas mehr erwartet.
7/10