Miami Vice

Als vor einigen Monaten bekannt wurde, dass mit „Miami Vice“ eine weitere US-Fernsehserie zu Kino-Ehren kommen sollte, war ich nicht gerade begeistert. Mit der Serie konnte ich nie viel anfangen, und gerade erst hatte „SWAT“ gezeigt, wie man eine solche Adaption zum seelenlosen Möchtegern-Blockbuster werden lassen kann. Immerhin, als Regisseur und Produzent war Michael Mann angegeben, und der hat nicht nur die Serie erfunden, sondern auch viele gute Filme gemacht, darunter „The Insider“,“Heat“ und zuletzt „Collateral“. Bis zum ersten Trailer habe ich trotzdem fest mit einem Gute-Laune-Retro-Streifen im lustigen 80er-Look geglaubt. Weit gefehlt, der Film ist ein beinharter Thriller, der sich von der Vorlage nur die Namen der Hauptfiguren, die Location, und (natürlich) den Ferrari geliehen hat.Ohne Credits und Vorspann geht es gleich in den Alltag der Undercover-Cops Crockett (Colin Farrell) und Tubbs (Jamie Foxx). In einem Nachtclub lauern sie Gangstern auf, doch die Story geht schnell in eine ganz andere Richtung. Ein Informant meldet sich vom Autotelefon, eine Undercover-Operation ist aufgeflogen. Viel können die beiden nicht mehr retten, aber immerhin bekommt der Ferrari seinen ersten Einsatz. Der ist jetzt nicht mehr weiss wie einst, sondern von dezentem Dunkelgrau. Diese Metamorphose haben auch die Klamotten von Tubbs und Crockett durchgemacht, statt fliederfarbenen Hemden und Sakkos mit aufgerollten Ärmeln sind gesetzte Töne angesagt. Ihre coolen Sonnenbrillen durften sie behalten. Wo ein Einsatz in die Hose geht, muss irgendwo ein Leck sein, und genau das sollen Crockett und Tubbs in einem Geflecht von Informanten und Mittelsmännern finden. Im Visier haben sie südamerikanische Drogenbosse, denen sie ihre Dienste als Drogenkuriere im großen Stil anbieten. Um zu vermeiden, lediglich ein paar Mittelsmänner hoch gehen lassen zu können, müssen sie tiefer graben und sich – auch das ist Teil des Jobs – in größtmögliche Gefahr begeben.

Wie schon in „Collateral“ setzt Michael Mann auf den Einsatz von Digitalkameras, die auch bei Dunkelheit problemlos scharfe, dabei sehr grobkörnige Bilder liefern können. Soweit ich mich erinnern kann fand in der Serie noch ein Großteil der Handlung tagsüber statt, damit ist es nun vorbei. Die Nacht regiert in Miami und an den anderen Schauplätzen, nachts werden die Drogenladungen übergeben, nachts werden Deals geschlossen, und nachts wird gestorben. Geblieben ist der materialistische Charakter mit seinen Statussymbolen. Modernste Mobilfunkgeräte und die teuersten Sport- und Luxuskarossen beherrschen die Leinwand. Fast möchte man meinen, dass unsere beiden Helden ihrem Job nachgehen, um im Ferrari/Bentley durch die Gegend fahren zu dürfen. Es dauert eine ganze Zeit, bis die moralischen Grenzen zwischen den Gangstern und ihren Jägern deutlich werden.

Schon rein optisch ist „Miami Vice“ den Gang ins Kino wehrt, sofern man mit brutaler Gewalt umzugehen weiß. Es wird scharf geschossen, und es fließt eine Menge Blut. Seit „Heat“ und „Collateral“ ist Michael Mann bekannt für seine ausgiebigen Shootouts, und (nicht nur) am Ende seines Films lässt er es derart krachen, dass die Soundkulisse eher dem Gemetzel von Spielbergs „Saving Private Ryan“ ähnelt als dem albernen „Piff-Paff-Peng“ aus dem Fernsehen. In einem Interview mit der Sueddeutschen Zeitung erklärte der Regisseur dazu, man habe sich bei der Darstellung sowohl der Gangster als auch der Ermittler eng an die Beschreibungen ehemaliger Drogenfahnder gehalten.

Ein Problem des Films ist (siehe „Superman Returns„) seine Überlänge. Die 132 Minuten die es braucht um zum Ende zu kommen, sind locker eine Viertelstunde zu viel. „Miami Vice“ erlaubt sich leider einige Szenen, die entweder gänzlich hätten gestrichen werden können, oder mindestens kürzer ausfallen sollten. Es fällt auf, wie wenig normale Menschen eine Rolle spielen in diesem Film. Es gibt Gangster, und es gibt Cops, anders als in „Heat“ interessiert sich Mann diesmal kaum für ziviles Personal. Tubbs ist mit einer hübschen Kollegin liiert, Crockett dagegen lässt sich mit Isabella (Gong Li), einer hübschen Handlangerin der kolumbianischen Unterwelt, ein. Ehefrauen und Kinder? Fehlanzeige.

Etwa in der Mitte des Films fahren Crockett und Isabella mit einem Speedboat nach Kuba, um sich einige Mojitos und ein Zimmer für die Nacht zu gönnen. Die Szene gehört zu den besten, weist aber dieselben Schwächen auf wie der Film als Ganzes: Sie ist ein wenig zu lang, führt die Handlung nur bedingt weiter, sieht aber umwerfend gut aus. „Miami Vice“ ist ganz sicher ein überdurchschnittlicher Copthriller, der seine Längen und die wenig originelle Story mit seiner intensiven, düsteren Stimmung und seiner gekonnten, rastlosen Inszenierung locker auffangen kann.

7/10