Was für ein Rauschen im Blätterwald: Zack Snyders („Dawn of the Dead“) Verfilmung von Frank Millers („Sin City“) gleichnamigem Comic über die Schlacht am Thermopylen zwischen Spartanern und Persern anno 480 vor Christi Geburt hat gleich mehrere Debatten angeregt. In den USA werfen Gegner wie Fürsprecher des Irakkriegs dem Film vor, dem jeweiligen Gegner in die Hände zu spielen, im Iran sieht man die persischen Wurzeln und Vorfahren rüde beleidigt und in den Dreck gezogen.
Und irgendwie haben auch alle Seiten Recht, mit der Konsequenz, dass keiner so richtig Recht hat. Das absolute Heldentum der Soldaten Spartas, die für ihr Land und die Freiheit kämpfen, und dabei nicht bedingungslos von der Politik unterstützt werden, kann man als Argument für den Irakkrieg deuten – wenn man denn will. Andererseits kann man in den ihr Reich mit Gewalt vergrößernden Persern auch die USA von heute erkennen, die im Irak vielleicht eine Idee der Freiheit zu verteidigen meinen, dort aber keineswegs (wie die Spartaner im Film) vor der eigenen Haustür kämpfen – auch das kann man so sehen.
Die Darstellung der Perser als barbarische Wüstlinge, die im Kampf Mann gegen Mann hoffnungslos unterlegen sind und deshalb mit List und Heimtücke den Erfolg suchen, könnte tatsächlich dazu dienen, das iranische Volk und seine Kultur zu diffamieren. Bleibt die Frage, ob Regisseur Snyder irgendetwas davon auch bezweckt hat. Soweit ich das gehört habe, bleibt er inhaltlich nah an Millers Vorlage von 1998. Nun gab es aber 1998 noch keinen zweiten Irakkrieg, und auch keine entführten britischen Soldaten oder kontroverse Atomprogramme. Was den Schluss nahe legt, dass es Snyder vielmehr um ein optisch berauschendes Schlachtengemälde ging, als um einen Kommentar zur politischen Großwetterlage. Natürlich kann man deshalb die (widersprüchlichen) Aussagen des Films nicht einfach ignorieren. Aber man sollte sie als das behandeln was sie sind: Randerscheinungen eines kommerziellen Hollywoodfilms, der in erster Linie Geld einspielen soll – und zwar möglichst auf der ganzen Welt.
Nun aber zum Film selbst. Er beginnt mit der Schilderung der Kindheit von Leonidas, dem König Spartas. Eine Stimme aus dem Off erzählt von den Gebräuchen Spartas, den finsteren Riten und ihrem Stolz auf die mit eiserner Härte trainierten Soldaten. In der Gegenwart angekommen steht König Leonidas (Gerard Butler) vor einem Problem: Die gewaltige Armee des persischen Königs Xerxes steht vor den Toren Griechenlands, doch im Land herrscht Uneinigkeit, wie man mit der Bedrohung verfahren soll. Der Rat der Spartaner lehnt Leonidas Begehren, mit der Armee in den Krieg zu ziehen ab.
Doch der nimmt sich die Freiheit, mit der vergleichsweise kleinen Gruppe von 300 Soldaten an den Thermopylen zu ziehen. Durch diesen schmalen Gebirgspass nahe der Küste müssen die Truppen des Gegners hindurch. Die Idee der Spartaner ist es, diesen Pass mit wenigen Leuten zu verteidigen, denn in dem engen Pass kommt der numerischen Überlegenheit des Gegners keine so große Bedeutung zu wie auf einem offenen Schlachtfeld. Ihre immensen kriegerischen Fähigkeiten kämen so am besten zur Geltung.
Es dauert nicht lange bis das Gemetzel seinen Gang geht. Nachdem uns die Spartaner als die perfekten, todesmutigen Krieger vorgestellt wurden, stürzen sie sich in den Kampf und schlachten tausende persische Fußsoldaten gnadenlos ab. Jede Form von Verhandlung mit dem Gegner wird abgelehnt, Welle um Welle gegnerischer Soldaten versucht den Pass zu erstürmen. Dabei gelingen dem Film einige großartige Szenen, die statt auf die üblichen hyperschnellen Schnitte auf Zeitlupen, Großaufnahmen und geradezu tänzerische Schwertkämpfe setzen. In den besten Momenten wird alles zum fesselnden Bilderrausch, in den schwächeren ist ein ziemlich albernes und betont schwules Sandalenfilmchen zu sehen.
Der Film entstand fast komplett am Rechner, die Schauspieler wurden vor Bluescreens gefilmt und die Bilder dann nachträglich mit Hintergründen, Farben und Effekten versehen. Die dabei entstandene künstlich-düstere Stimmung harmoniert wunderbar mit der wahrhaft finsteren Schilderung der Schlacht, in der massig Köpfe und andere Gliedmaßen abgetrennt werden und auch schon mal eine Mauer aus Leichen errichtet wird. Ebenfalls im Gepäck sind ein paar Urviecher aus dem Special-Effects-Rechner, darunter übergroße Nashörner, Elefanten und ein Viech, das nach verlorener Schlacht wohl direkt aus Mittelerde rüber gemacht hat.
Alles in „300“, von der Darstellung, den blutrünstigen Kämpfen bis zu den Dialogen ist grotesk übersteigert und übertrieben. Ausgleichende Kräfte sucht man hier vergebens, es gibt nur Gut und Böse, Sieg oder Niederlage, heldenhaften Tod oder ehrlose Feigheit. Zu Beginn des Films stösst König Leonidas einen persischen Boten in einen gigantischen Brunnen. Ob es nicht Wahnsinn sei, einen Boten zu töten fragt dieser in letzter Sekunde. Leonidas antwortet, das sei nicht Wahnsinn – das sei Sparta! Diese Szene war bereits im Trailer zu sehen, und hat mit ihrem Pathos und der unmissverständlichen Botschaft von Kompromisslosigkeit und überhöhter Gewalt dem Erfolg des Films sicher nicht geschadet. Es ist eine großartige Szene, vorausgesetzt, man hat begriffen, dass dem Treiben der Spartaner eben doch eine gehörige Portion Wahnsinn innewohnt.
Die zweifelhaften Botschaften des Films werden zuweilen dermaßen übertrieben, dass man sie unmöglich ernst nehmen kann. Trotzdem bleibt der Film immer auf der Seite der Spartaner, deren aus der Schlacht gewonnener Ruhm zentrales Thema von „300“ ist. An Grundschulen sollte er also definitiv nicht in den Lehrplan aufgenommen werden, und sogar die Freigabe ab 16 mag manchen unverständlich sein. Letzten Endes jedoch ist „300“ nur ein Kinofilm, der sich an ein junges, aber eindeutig erwachsenes Publikum richtet. Wer sich erinnert, wie groß das Geschrei um Oliver Stones „Natural Born Killers“ war, der wird auch wissen, was vom dem Trubel geblieben ist – nichts.
7/10