Der fremde Sohn (Changeling)

Irgendwie kann Clint Eastwood ja seit ein paar Jahren einfach nichts mehr falsch machen. „Mystic River“, „Million Dollar Baby“, „Letters from Iwo Jima“ – es hagelt gute Kritiken, anständige Einspielergebnisse und mindestens Oscarnominierungen. Mit „Changeling“ hat Eastwood einen Kriminalfall aus den 20er Jahren auf die Leinwand gebracht. Christine Collins‘ (Angelina Jolie) Sohn Walter verschwindet eines Tages im Jahre 1928 spurlos. Monatelang wartet sie auf ein Lebenszeichen, bis die – für Korruption und Vetternwirtschaft berüchtigte – Polizei ihr die frohe Botschaft überbringt: Walter wurde gefunden, ist gesund und unverletzt.

Für die alleinerziehende Mutter Christine (und auch das Publikum) ist schnell klar – der gefundene Junge ist nicht ihr Sohn. Doch was immer sie gegenüber dem LAPD an Argumenten vorbringt, die Beamten wollen es weder hören noch ernsthaft in Erwägung ziehen, dass sie recht haben könnte. Die Rückkehr ist als PR-Erfolg bereits gefeiert worden, und den Behörden ist jedes Mittel recht, um Christine zum Schweigen zu bringen. An dieser Stelle setzt in „Changeling“ eine Parallelhandlung ein, deren Verbindung zu Walters Verschwinden recht schnell deutlich wird.

Eastwood, der das Projekt von Ron Howard übernahm, erzählt diese emotionale Geschichte in schnörkellosen Bildern, untermalt vom zurückhaltenden selbstgeschriebenen Score. Der 20er Jahre-Look ist perfekt gelungen, und auch die Besetzung kann sich sehen lassen. Neben Jolie (die ihre großen Auftritte ohne ein Übermaß an Theatralik absolviert) überzeugen vor allem John Malkovich als Geistlicher auf dem Kreuzzug gegen die Polizei, sowie die recht unbekannten Jeffrey Donovan und Jason Butler Harner.

Trotz der gewohnt souveränen Inszenierung gibt es aber auch Schwachpunkte zu nennen. Der Film ist mit 140 Minuten „a little on the long side“, und die innere Logik der Charaktere bleibt in zwei, drei wichtigen Szenen etwas auf der Strecke. Zudem findet das Drehbuch am Ende keinen wirklich stimmigen Abschluss, sondern reiht das Geschehen etwas lieblos und quasi-dokumentarisch nurmehr auf. Trotzdem kann ich den Film durchaus empfehlen, denn auch wenn „Changeling“ nicht zu Eastwoods späten Meisterwerken zählt muss er sich auch sicher nicht für ihn entschuldigen.

4/5