Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist in Deutschland ein größeres Thema als anderswo. Bevorzugtes Objekt der Aufarbeitung ist immer noch das dritte Reich, doch auch das Treiben der ‚Rote Armee Fraktion‘ (RAF) und der Linksterrorismus der 70er werden gerne genommen. Mit der Verfilmung des Standardwerks zum Thema, dem „Baader Meinhof Komplex“ von Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust, hat Produzent Bernd Eichinger wohl nichts geringeres im Sinn als den ultimativen Film über den Linksterrorismus in Deutschland zu drehen. Dazu hat er unter der Regie von Uli Edel („Christiane F.“) fast alle bekannten deutschen Schauspieler zu einem großen Ensemblefilm versammelt, der von der Ermordung Benno Ohnesorgs über die Gründung und den Terror der RAF, Stammheim und die Schleyer-Entführung nichts ausläßt.
Da hat sich der Film recht viel vorgenommen, zumal ein Buch von 670 Seiten sich nicht in 150 Minuten erzählen lässt. In den starken ersten 30 Minuten zeichnet der „Baader Meinhof Komplex“ ein gelungenes Portrait der Ausgangsituation Ende der 60er Jahre. Die Proteste gegen den Vietnamkrieg, der Tod von Benno Ohnesorg, den Kampf gegen die Springer-Presse, dazu die Nachrichten von der Ermordung Robert Kennedys und Martin Luther Kings sowie das Attentat auf Rudi Dutschke. In dieser anti-bürgerlichen Stimmung gründet sich die RAF, und so stehen die Terroristen Ulrike Meinhof (Martina Gedeck), Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) und Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) von nun an im Mittelpunkt.
Der Film verfolgt die Gruppe von ihrer Gründung bis zum Ende, alle bekannten Stationen und Aktionen, doch er bekommt sie trotzdem nicht richtig zu packen. Die Wortgefechte zwischen den Mitgliedern, der Kampf um die richtige Haltung, das alles liefert kaum schlüssige Erklärungen – vielleicht kann es die für den Terror der RAF aber auch nicht so einfach geben. Die Geschichte des Films (nicht der RAF) endet im Gefängnis von Stammheim und mit der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.
Die einzig nennenswerte Nebenhandlung thematisiert die Bemühungen des BKA (in der Person des damaligen Präsidenten Horst Herold, gespielt von Bruno Ganz) dem Terror Einhalt zu gebieten. Diese Szenen sind gut gemacht, auch wenn sie zuweilen etwas belehrend und ans Publikum gewandt daher kommen. Das sonstige politische Geschehen der Zeit ist lediglich im Hintergrund präsent.
Als Thriller zeigt der Film manche guten Ansätze, entwickelt aber aufgrund der weitgehend bekannten Tatsachen keine sehr große Spannung. Von der Produktion und Ausstattung her haben Eichinger und sein Team ganze Arbeit geleistet. Die Schauplätze sind immer realistisch, ebenso die recht zahlreichen Feuergefechte und Explosionen. Insgesamt hält der Film in dieser Hinsicht ein – gerade für deutsche Verhältnisse – sehr hohes Niveau.
Auf hohem Niveau pendelt sich auch das Schauspieler-Ensemble ein, allen voran die drei Hauptdarsteller. Das aus dem Trailer bekannte Gefühl, dass alle hippen deutschen Schauspieler demnächst als RAF um die Häuser ziehen, ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen. Da die Personen, die sie verkörpern, jedoch rein äußerlich nicht sehr bekannt sind, fällt es mit zunehmender Speildauer leichter, die Figuren hinter den Schauspielern zu sehen.
Der „Baader Meinhof Komplex“ kann seinem Publikum den Terror der RAF nicht vollständig begreiflich machen. Anschaulich hingegen werden die Geschehnisse dagegen sehr wohl. Über die Darstellung der Terroristen läßt sich sicher streiten. Werden sie zu sehr als Idealisten und antibürgerliche Rock-Stars, und zu wenig als kaltblütige Mörder portraitiert? Fehlt eine tiefere Auseinandersetzung mit der „Bonner Republik“ und dem westdeutschen ‚System‘? Ein Film, der eine derart komplexe Geschichte erzählt, lässt zwangsläufig Fragen offen und mehrere Interpretationen zu.
Wer damals alt genug war, um das Thema zu verfolgen, der mag hierzu eine andere Meinung haben als ich. Mir fällt auf, dass die Studentenbewegung und der Kampf gegen das Establishment, ganz zu schweigen vom Selbstverständnis der RAF, sehr weit weg erscheinen. Wirklich verwundern tut das aber auch nicht, immerhin ist der kalte Krieg seit 20 Jahren vorbei, die DDR abgewickelt und der Traum vom „guten Spzialismus“ ausgeträumt. Man muss sich die Welt von BRD und RAF wohl wirklich als eine andere vorstellen.
4/5
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