Die Vorschusslorbeeren für „District 9“ waren groß, neben dem guten US-Kinostart hat sich der Film auch beim Publikum extrem beliebt gemacht und es gleich in die Top 250 der IMDB gebracht. Weil man das Momentum mitnehmen wollte hat sich Sony Pictures, der hiesige Verleih des unabhängig produzierten Films, entschieden den Kinostart vorzuziehen, vom 22. Oktober auf den 10. September. Der große Saal im Cinestar am Potsdamer Platz war dann auch gut gefüllt, allerdings längst nicht so brechend voll wie jüngst bei den „Inglourious Basterds“.
„District 9“ gibt sich zu Beginn als Dokumentation aus, in Interviews und wackligen Fernsehbildern erfährt das Publikum, was eigentlich los ist. Folgendes ist los: Ein Raumschiff mit mehreren Hundertausend Aliens ist über Johannesburg zum Stillstand gekommen. Was die Aliens – wenn überhaupt irgendwas – auf der Erde wollten ist unklar. Mangels Alternativen werden die unfreiwilligen Erdbewohner in einem abgezäunten Bezirk untergebracht, der schnell zum Ghetto gedeiht. Die Behörden sind überfordert und beauftragen einen Waffenkonzern mit der Evakuierung der Aliens in ein außerhalb der Stadt gelegenes Gebiet.
Diese Operation soll Wikus Van De Merwe leiten, ein redseliger, etwas unbeholfener Angestellter des Konzerns MNU, und zufällig Schwiegersohn von dessen Boss. Die Zwangsumsiedlung gerät zu einer brutalen Farce, bei der sich Van De Merwe eine Art Alien-Virus einfängt – er mutiert schrittweise selbst zum Alien. Hier ändert sich die Perspektive, nicht mehr pseudo-dokumentarische Archivaufnahmen bestimmen das Geschehen, sondern eher klassische Einstellungen. Van De Merwe wird zum Versuchskaninchen seines Arbeitgebers, der auf Erkentnisse hofft, wie man die konfeszierten Waffen der Aliens endlich auch für Menschen nutzbar machen kann. Van De Merwe kann fliehen und sucht im Ghetto von „District 9“ nach einem Ausweg.
Vom Ton her erinnert der Film ein wenig an Verhoevens „Starship Troopers“, auch hier wird an beißender Satire nicht gespart. Der Hass der Militärs und auch der Bürger der Stadt auf die ungewollten neuen Nachbarn kennt schnell keine Grenzen mehr, kaum jemand stört sich an dem erbärmlichen Ghetto-Dasein, in das die Aliens gezwungen werden. Erst durch die „Verwandlung“ der Hauptfigur ändert sich der Blick auf die Lage. Das Publikum fiebert mit Van De Merwe mit, dem als Verbündete ja nur die Aliens bleiben, wenn er nicht auf dem Seziertisch seiner Bosse landen will. Hier wird „District 9“ dann zu einem eher konventionellen Actionfilm, ohne aber seinen scharfen Ton zu verlieren.
Weil er ohne bekannte Schauspieler auskommt und offenbar sehr günstig in Johannesburg und Neuseeland drehen konnte, reichte dem Regisseur Neil Blomkamp ein Budget von $ 30 Mio., um seine Story zu realisieren. Die Effekte sind trotzdem überzeugend, Raumschiff und Aliens sind erstklassig umgesetzt. Die Thematik von Apartheid (ausgerechnet in Johannesburg) am Beispiel einer Alien-Invasion aufzugreifen ist mutig, und das Drehbuch clever genug um viele Facetten des Themas auszuloten. Das düstere Bild, das der Film von den Menschen zeichnet, ist als eindeutige Warnung zu verstehen, die dem Regisseur offensichtlich sehr am Herzen liegt. Einzig Van De Merwe beginnt irgendwann zu begreifen, dass die „anderen“ auf der Erde nie eine Chance auf ein anständiges Leben hatten – ohne seine Infektion wäre ihm das aber auch egal gewesen.
„District 9“ wird kein Überraschungshit vom Schlage „Juno“ oder „Amelie“ werden, denn er wird sicher nicht allen Leuten gefallen. Die Story ist unbequem, die Machart zunächst gewöhnungsbedürftig, der Humor ist tiefschwarz und die Splatterszenen so drastisch, dass empfindliche Mägen hier völlig fehl am Platze sind. Ordentliche Zuschauerzahlen wird er trotzdem sicher erreichen, und das auch verdient. Denn der Film geht höhere Risiken und neuere Wege als die meisten Blockbuster des Sommers zusammen. Und man geht nicht raus und hat es hinter sich, man geht raus und hat etwas neues gesehen.
4/5
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