Harry Brown (DVD Import)

Sir Michael Caine ist inzwischen 76 Jahre alt, hat aber offenbar nicht vor, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen. In „Harry Brown“ spielt Caine die Titelfigur, einen einsamen Rentner in einem heruntergekommenen Stadtteil  von London. Kriminalität bestimmt den Alltag, gleich zu Beginn zeigt der Film in drastischen Szenen, wozu die gelangweilten, mit allen möglichen Drogen aufgeputschten Jugendlichen so fähig sind. Sie terrorisieren die gesamte Nachbarschaft, wer sich ihnen in den Weg stellt wird schlicht überrollt.

Ald die Gang Harrys einzig verbliebenen Freund ermordet, und die Polizei scheinbar ohne Beweise dasteht, ist für Harry der Ofen aus. Als ehemaliger Soldat mit Waffen und Gewalt vertraut nimmt er den Kampf mit den Kids auf. Das ganze macht mehr als nur ein paar Anleihen bei Klassikern wie „Ein Mann sieht rot“. Leider gehört „Harry Brown“ nicht zu den Rache-Filmen, die ihre Handlung und/oder die Hauptfigur auch kritisch hinterfragen.

Weil sich die Story nicht mal bemüht, die sozialen Mißstände in Harrys Stadtteil (gedreht wurde im Aylesbury Estate in Walworth) zu thematisieren ist der Film letztlich ohne erzählerische Tiefe. Die Figur von Harry ist durchaus glaubwürdig, und Caine wäre nicht Caine wenn er sie nicht überzeugend spielen würde. Doch seine Widersacher in der Story sind allesamt wandelnde Klischees.

Ein junger Krimineller mit sadistischen Neigungen und ein paar Junkies, die in ihrer Drogenhölle eine junge Frau beinahe verrecken lassen, werden schrecklich übertrieben und vereinfacht als Bösewichter benutzt, über deren Ableben sich der Zuschauer dann freuen soll. Am Ende kommt dann noch eine kleine „Überraschung“ dazu, die den reaktionären Charakter des Films aber nicht mehr verändert.

Die Inszenierung ist visuell sehr gelungen, und die Story hat durchaus Qualität was die realistische Milieuzeichnung angeht. Die Entwicklung der Hauptfigur und das Abdriften eines ganzen Stadtteils in die Gewalt – das sind die Stärken des Films. Leider vernachlässigt er zugunsten seiner genretypischen Handlung die Notwendigkeit, das Geschehen in seiner ganzen sozialen Dimension zu präsentieren. Dadurch wird „Harry Brown“ zum Plädoyer für Selbstjustiz und einen hart durchgreifenden Polizeistaat, das zwar zu unterhalten weiß, in seiner Aussage aber schwer bis gar nicht verdaulich ist.

2/5