2019 ist das erste Jahr, in dem ich sowohl meinen Film- als auch meinen Serienkonsum runtergefahren habe. Mangelnde Zeit ist ein Grund, aber anderere Gründe wiegen schwerer.
In dieser „Golden Era of TV“ ist die Reizüberflutung immens. Dutzende lohnenswerte Serien laufen an einem vorbei, egal wie oft man abends vor dem Fernseher, Laptop, Tablet oder Smartphone sitzt.
Bei den Shows, die man noch schafft, fragt man sich zunehmend, ob sie die viele Zeit wirklich wert sind. Zu viele Shows haben sich zuletzt entweder nur wiederholt („Stranger Things“) oder erzählen ohne erkennbare Richtung einfach weiter („Homeland“), weil die Quote – noch – stimmt.
Damit wird ein grundsätzliches Problem der aktuellen Serien-Welt deutlich. Es braucht nicht nur gute Ideen für ein Szenario, Figuren und die richtige Besetzung. Sondern auch einen Plan, wohin die Reise letztlich gehen soll. Fehlt der, driftet das Geschehen oft in die Belanglosigkeit ob, oder die Dramatik wird auf Kosten der Glaubwürdigkeit gesteigert.
Für die Streaming-Anbieter und Sender ist das jeweils nicht so wild, schließlich brauchen sie vor allem Stoff, um ihre Abonnenten bei der Stange zu halten. Wer aber als Zuschauer vermeiden will, seine Zeit zu vergeuden, für den wird es schwierig. Wer weiss schon, ob etwa die Autoren & Showrunner von „Mindhunter“ oder „Barry“ einen Plan verfolgen – oder einfach nur so viele gut bezahlte Folgen wie möglich produzieren wollen?
Die wirklich großartigen Serien der letzten Jahre haben gezeigt, dass man über ein halbes Dutzend Staffeln produzieren und trotzdem ein starkes Ende finden kann. Siehe etwa „Mad Men“ oder „Breaking Bad“. Nicht jede Show kann sich damit messen. Dieses Jahr hat es nur „Mr Robot“ geschafft.
Inzwischen bevorzuge ich eigentlich Serien, die entweder nur auf eine Staffel angelegt sind („The Night Manager“), oder sich nach jeder Staffel neu erfinden („Fargo“, „True Detective“ oder „American Crime Story“). Die sind aber immer noch die Ausnahme.
Die besten neuen Serien
Hier sieht es dürftig aus, was wohl mehrere Gründe hat. Erstens habe ich viel Zeit mit fortgesetzten Shows verbracht, zweitens habe ich in dem Überangebot von Serien wohl nicht wirklich die Perlen rausgefischt.
Über allem steht hier definitv „Chernobyl„. Die Serie hat eigentlich alles, was es brauch – Spannung, Anspruch, Humor und ein Element der Unberechnbarkeit (obwohl man ja meint, die „Story“ zu kennen). Nur mit den ‚künstlerischen Freiheiten‘ hat man es meines Erachtens leicht übertrieben.
„The Morning Show“ hat mir immerhin Spaß gemacht, „The Boys“ war nicht ohne Reiz, „Russian Doll“ mal was anderes. „What We Do in the Shadows“ ist ähnlich witzig wie der Film. Aber wenn es bei all diesen Serien nicht weiter ginge wäre mir das ziemlich egal.
„Too Old To Die Young“ war ein ziemlicher Härtetest, den ich zwar bestanden habe, aber nicht wiederholen würde. Mit „Catch-22“ wurde einer berühmtesten Romane des 20. Jahrhunderts zur Serie, ohne dass man hinterher wüsste, warum der Roman so berühmt ist.
Die zweite Staffel von „The Terror“ ging mir deutlich zu sehr in Richtung klassischer Geisterhorror-Stoffe, der historische Hintergrund war zwar erneut interessant, insgesamt aber fand ich die Staffel enttäuschend.
Von „Watchmen“ habe ich noch zu wenig gesehen, „Truth be told“ läuft noch und hat definitiv auch Schwächen.
Die besten fortgesetzten Serien
Die finale Staffel von „Mr Robot“ war ein absolutes Highlight. Schöpfer Sam Esmail beherrscht nicht nur irre Wendungen, er landet auch die recht haarsträubende ‚äußere‘ Handlung sauber. Die große Kunst aber besteht darin, dass er die Figuren dabei nicht aus den Augen verliert, und diese am Ende sogar noch überzeugend überraschen können.
Mit „Succession“ ist eine gute Serie noch ein bisschen besser geworden. Die Einblicke in den „Erbfolgekrieg“ einer Milliardärsfamilie mit hauseigenem Medienkonzern sind unterhaltsam, witzig, und spiegeln die Faszination unserer Gesellschaft mit den Superreichen clever zurück ins Publikum.
Auch das Finale von The Affair hat mir gefallen, auch hier ging es am Ende – nur kam das weniger überraschend – vor allem um zwei Hauptfiguren. Mindhunter bleibt spannend und eine der wenigen noch nicht ausgelaufenen Shows, auf die ich mich richtig freue. Veronica Mars kam recht überraschend wieder, bringt aber auch nach all den Jahren wieder alle Qualitäten mit, die ich immer an der ehemaligen Teenie-Noir Serie geschätzt habe.
Die zweite Staffel von „Barry“ hat das Niveau der ersten halten können, auch hier bin ich gespannt, wo die Reise noch hingeht. Bei Big Little Lies war ich nicht sicher, ob es überhaupt eine zweite Staffel braucht. Die, die mir quasi ungefragt serviert wurde, hat mir sehr gut gefallen. Aber es ist auch folgerichtig, dass die Show nun vorbei ist. True Detective hat nach der von den Kritikern und dem Publikum verhassten zweiten Staffel seine Form wiedergefunden. Eine ordentliche Staffel mit starken Darstellern, die die Stärken des Formats zu nutzen weiss.
Die letzte Staffel von „Ray Donovan“ läuft noch, dazu dann im Laufe des Januars oder Februars mehr. „Goliath“ war in seiner dritten Staffel gewohnt unterhaltsam.
„The Handmaids Tale“ habe ich abgebrochen, obwohl die dritte Staffel nicht wirklich schlecht war – ich habe mich an der Welt der Serie und auch an Hauptfigur June schlicht satt gesehen…
Und dann war da noch „Game of Thrones„. Hier hatte sich mit der miesen siebten Staffel schon angekündigt, dass die Kreativen es nicht schaffen würden, ein irgendwie glaubwürdiges, spannendes und aufregendes Finale hinzubekommen. Und so kam es dann leider auch. Zwischen gar nicht so schlecht, unfreiwillig komisch und total bescheuert ging das Spektakel zu Ende. Und ich bin froh, dass es vorbei ist. Die ersten sechs Staffeln gehören zum Allerfeinsten, was es im Fernsehen je zu sehen gab – das ist ja auch kein schlechtes Vermächtnis…