Zu regelmäßigen kleinen Buchrezensionen komme ich ja irgendwie doch nicht, daher probier ich hier einfach mal das Format „Jahresrückblick“ aus. Es gibt fünf kurze Empfehlungen aktueller Romane, quasi mein „Best of“ des Jahres. Ob der deutsche Erscheinungstermin jeweils im Kalenderjahr lag oder nicht ist mir dabei relavativ, jedoch keineswegs gänzlich, furzpiepegal.
UPDATE vom 9.1.2022 – Ich möchte unbedingt auch „Our Country Friends“ von Gary Shteyngart empfehlen. Der erste richtige gute Roman zur Corona-Pandemie – aber im Sinne eines humorvollen und pointierten Kommentars, nicht als miesepetrige Pseudoapocalypse. Ab dem 23. Mai 2022 unter dem Titel „Landpartie“ auch auf deutsch erhältlich.
Jonathan Franzen – „Crossroads“
Nach der leichten Enttäuschung von „Purity“ gefällt mir dieser erste von drei Bänden einer epischen Familiengeschichte ausgesprochen gut. Die Handlung setzt Anfang der 70er in einem wohlhabenden Vorort von Chicago ein, springt ein bisschen vor und zurück, und fördert dabei äußerst vielseitige und glaubhafte Charaktere zu Tage. Es geht (auch) viel um Gott und Jesus, was ich aber als nichtgläubiger Mensch keineswegs als störend empfunden habe.
Hervé Le Tellier – „Die Anomalie“
Erst immens erfolgreich in Frankreich, dann auch international omnipräsent in den Medien – dieses Buch hat einen Nerv getroffen. Zwischen Drama, Science-Fiction und Kommentar unserer Welt im Ausnahmezustand entsteht eine packende Geschichte, in der für verkopfte Theorien ebenso Platz ist wie für tragikomische Beobachtungen, Humor und eine mächtige Katharsis.
Kazuo Ishiguro – “ Klara und die Sonne“
Die Geschichte eines Roboter-„Mädchens“, erzählt aus der Persepketive eben dieses Roboter-„Mädchens“. Wie immer bei Ishiguro ist irgendwas ‚off‘, und man fragt sich ständig, was genau – und warum erscheint das alles so verdächtig bekannt…?
Karl Ove Knausgard – „The Morning Star“ (dt. „Der Morgenstern“)
Ich habe nach dem autobiographischen Projekt und seinen sechs dicken Bänden eine kleine Knausgard-Pause gebraucht, war aber sehr froh, als die durch den neuen Roman „The Morning Star“ beendet wurde (die deutsche Übersetzung ist noch in Arbeit, der englische Übersetzer war schneller). Die lose miteinander verbundenen Episoden des Buchs sind stimmungsvoll und – wie bei Knausgard nicht anders zu erwarten war – voller psychologisch interessanter Figuren.
Viet Thanh Nguyen – „The Committed“ (dt. „Die Idealisten“)
„The Committed“ ist ähnlich temporeich, irrzwitzig und unterhaltsam wie der Vorgänger-Roman „The Sympathizer“. Um ehrlich zu sein fällt es bei der wilden Fahrt manchmal schwer, sich in den vielen Drehungen und Wendungen im Leben des Ich-Erzählers und Protagonisten nicht zu verlaufen, aber der Versuch allein macht mächtig viel Spaß.